Dienstag, November 28, 2006

Kapitel V: Infanterie

Nachdem Andrea aufgelegt hat, liege ich noch lange wach und überlege, wann ich den Moment verpasste, in dem ich es hätte merken müssen. Sicher war es seltsam, dass Johannes sich meldete, nach all der Zeit. Aber ich bin ja auch niemand, der soziale Kontakte besonders pflegt und eine Pause aus all dem Pärchen-Gesellschaftsspielabendetraumland, das seine Freundin langsam um ihn herum aufbaut, muss ihm einfach gut tun. Darum sage ich zu, als er irgendwann gegen Mittag eine Kurzmitteilung sendet.

Er ist beim zweiten Bier, als ich mit der üblichen Verspätung im „drive-by“, eben jenem „Stammlokal“, ankomme. Ich stelle fest, dass ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier war. Seit Günni, so hieß der Wirt, der eine Expedition ohne Wiederkehr nach Portugal unternahm, nicht mehr hinter dem Tresen steht, hat sich einiges verändert. Alles ist eine Spur dreckiger, der Boden klebt von verschüttetem Bier, die Leute sind, nett beschrieben, merkwürdig. Ich beschließe, nicht wieder herzukommen, um nicht die Erinnerung an schöne Abende mit neuen Eindrücken zu überdecken.

Gar nicht verändert hat sich Johannes. Wir plaudern über die Zeit in der Schule und danach, die Leute und was aus ihnen geworden ist, schließlich landen wir bei Gott und der Welt – und bei Andrea. Es wird das fünfte Bier gewesen sein, als es aus ihm herausplatzt. Er wirkt auf einmal recht durcheinander, erzählt eine wirre Geschichte von Andrea, einem Daniel von ihrer Uni, Eifersucht, einem enormen Streit am Vorabend und grußloser Gleichgültigkeit am Morgen. Mir wird langsam klar, warum wir hier sitzen. Johannes geht auf die Toilette.

Als das Glas an der Wand zerbirst, explodiert die Gewalt im Raum. Ich kann spüren, wie die Luft mit einem Schlag kälter wird und will nicht glauben, mit welcher Geschwindigkeit nun alles geschieht. Gerade habe noch dieses hastige „Runter!“ über die Lippen gebracht, was wohl Schlimmeres verhinderte, um jetzt zu sehen, wie Schlimmeres auf Johannes zustürmt.

Ich habe mir den Mann vorher gar nicht genau angesehen. Er ist klein, aber kräftig. Bestimmt vierzig, schwarze Igelfrisur, braune Lederjacke, enge Jeans und eine Nase, die sicher schon einmal gebrochen war. Johannes, der sich geistesgegenwärtig bei meinem Aufschrei auf den Boden warf, rappelt sich langsam wieder auf.

„Dich mach ich platt!“ der Mann brüllt und hat die Distanz zu Johannes mit drei Schritten schnell überbrückt. Die Faust streift Johannes, der erstaunlich gut ausweicht, am Ohr und trifft schließlich die Schulter, ohne großen Schaden anzurichten. Johannes weicht zurück. Schnell hat sich ein Halbkreis aus Menschen um die Szene gebildet, die mir immer surrealer erscheint. Johannes nimmt eine Verteidigungsstellung ein, wie ich sie aus Martial-Arts Filmen kenne und versucht, möglichst viel Entfernung zwischen sich und den Schwarzhaarigen zu bringen.

Er ist aber viel zu betrunken, um dem plötzlichen Kopfstoß seines Gegenübers viel entgegenzusetzen. Patsch. Ein hässliches Geräusch. Dann noch einmal Patsch, als Johannes zusammensackt.

Samstag, November 25, 2006

Kapitel IV: Diazepam

Bis dahin ist die Wahrheit meiner Zunge Freund, so einigermaßen jedenfalls. Dann jedoch muss ich aufpassen, dass ich die anschließende „Rangelei“, bei der Johannes ein „paar Schrammen abbekommt“ und sein Gegenüber einmal „unglücklich fällt“, möglichst harmlos beschreibe. Laut meiner Worte dauert die „Auseinandersetzung“ nur „wenige Sekunden“ bis der Sicherheitsdienst erscheint, die beiden „Streithähne trennt“ und schließlich mit Blaulicht wegfahren lässt. Na, wenigstens beim letzten Punkt habe ich nicht gelogen. Dennoch fühle ich mich sehr unwohl.

„Und Johannes ist nichts passiert?“ fragt Andrea noch einmal besorgt.
- „Nee – der ist in Ordnung. Blaues Auge vielleicht – mehr nicht. Ist halt alles doof gelaufen.“
„Was hast du denn gemacht? Hast du ihm gar nicht geholfen.“
Die Frage hatte ich erwartet. Ja, geholfen. Vielleicht habe ich ihm geholfen. Vielleicht stehe ich mit dieser Meinung aber auch allein.
„Ach, weißt du, das ging alles so unglaublich schnell…und bevor ich da überhaupt kapiert hab, was läuft, war es schon vorbei.“
Ging es nicht. War es nicht. Tatsächlich kam es mir ungfassbar lang vor.

„Und die Polizei? Ich meine, warum haben die ihn denn dann mitgenommen – das war doch Notwehr, oder so etwas in der Art!“
- „Ähh, schon irgendwie, weißt doch, wie die Polizei so drauf ist, da ist jeder erstmal schuldig. Alle in einen Sack und dann draufhauen, trifft schon den Richtigen.“
Weil ihr nichts einfällt, was sie mir entgegnen kann, dehnt sie ein „Mmmmhhh“ bis zur Unendlichkeit.

„Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir uns jetzt alle schlafen legen. Johannes ist ja nix passiert und der pennt jetzt bestimmt schon seelenruhig, während du dir die Nacht um die Ohren schlägst. Hast ihn ja morgen wieder. Wenn du willst, können wir ihn ja zusammen abholen fahren.“

Das meine ich wirklich ernst. Zum einen haben die beiden kein Auto und zum anderen wäre es wohl ganz gut, wenn auch Johannes möglichst schnell von der nun offiziellen Version der Geschichte erfährt, bevor er eine andere erzählt.

„Naja, du hast vielleicht Recht. Ich schlafe dann jetzt wohl mal besser.“ Ich weiß natürlich selbst, dass ich nicht Recht habe, aber mir ist sehr daran gelegen, dass wir dieses Gespräch kurz halten.
- „Mein ich doch. Du rufst mich dann an, wenn Johannes sich meldet? Dann hol ich dich und wir dann ihn ab? Okay?“
„Okay.“
- „Dann noch eine gute Nacht.“
„Nacht.“

Freitag, November 24, 2006

Kapitel III: Monolog

Natürlich will sie nun wissen, was passiert ist und es bringt nichts, da jetzt eine komplett konstruierte Lügengeschichte zu erfinden, weil am Ende ja ohnehin alles irgendwie herauskommen wird. So biege ich ein wenig an der Wahrheit um Johannes vor sich selbst zu schützen, wenn ich das auch vor ein paar Stunden auch noch nicht vermochte.

Andrea weiß nach den nächsten fünf Minuten, wie Johannes mich in jene Bar schleppt, auf die wir uns wegen unterschiedlichster Musik- und offensichtlich auch Menschengeschmäcker irgendwann einmal als Weg der Mitte geeinigt haben. Dass eben jene Bar nun einen neuen Besitzer hat, weil der alte sich mit dem Fahrrad und all dem Geld aus der Kasse nach Portugal abgesetzt hat, erwähne ich nur am Rande.

Ich erzähle aber, wie Johannes sich in dem Laden, der nun dank neuem Besitzer, neuem Stil und neuer Musik auch über eine Zielgruppe verfügt, in die Fröhlichkeit trinkt. Ich erwähne nicht die Geschichten aus Job und Beziehung, mit denen er mich nach einigen Bieren langweilt und auch nicht, dass „in die Fröhlichkeit trinken“ bei Johannes schon reichlich viel Alkohol bedeutet.

Sie erfährt, wie Johannes dann irgendwann auf die Toilette gehen will und auf dem Weg dorthin einen Typen anrempelt, sich wohl entschuldigen will und es von Ferne so aussieht, als würden die beiden noch kurz miteinander reden, bevor Johannes seinen Weg zur Toilette fortsetzt. Dann berichte ich weiter, wie ich nicht genau weiß, was dann geschehen ist und nur nach einiger Zeit bemerke, dass nun auch der Typ verschwunden ist, den Johannes angerempelt hat und seine zugegebenermaßen recht hübsche Freundin nun allein an ihrem Tisch sitzt.

Ich erkläre, wie ich mir dann irgendwann Sorgen mache, weil Besuche auf der Herrentoilette ja für gewöhnlich recht kurz ausfallen und dass ich mich auf den Weg dorthin mache, um nachzusehen, wo er denn bleibt und wie die Tür auffliegt, als ich kurz davor stehe und dass Johannes schnellen Schrittes an mir vorbeirauscht, dicht auf seinen Fersen den Mann vom Rempeln, der noch ein „Bleib stehen, Arschloch!“ durch den Raum grölt.

Wie der Bierkrug, den der Mann dann von einem nahen Tisch greift und nach Johannes wirft, wobei er nur knapp dessen Kopf verfehlt weil ich laut "Runter!" brülle und er sich wegducken kann, bausche ich nicht weiter auf, denn ein Held war ich an diesem Abend ganz gewiss nicht. Held ist etwas anderes.

Cage - Shoot Frank

Donnerstag, November 23, 2006

Kapitel II: Dialog

Es ist drei, als ich heimkomme und es ist vier, als ich im Bett liege und nicht schlafen kann. Die Zeit dehnt sich zu zähem Sirup und um auf andere Gedanken zu kommen, versuche ich, mir verschiedene Geschmacksrichtungen für Zeitsirup einfallen zu lassen und zu schmecken, um darüber dann einzuschlafen.

Ich bin bei Honigmelone angekommen, als das Handy laut zu schreien beginnt. „Johannes sein zu Hause“ steht auf dem Display und ich wundere mich. Ist er etwa schon…nein, ist er nicht. Tatsächlich ist es Andrea.

„Wo zur Hölle seid ihr?“
- „Ich bin im Bett, kein ganz ungewöhnlicher Ort für diese Uhrzeit. Wo bist du denn?“
Für einen Moment halte ich das für eine Spitzenantwort, bereue dann aber schnell. Hatte er sie denn nicht angerufen? Was ist mit dem einen freien Anruf, bei dem sich Filmhelden noch einmal bei Angehörigen melden oder einen Auftragskiller für den Spitzel anheuern, der sie verraten hat. Da er ersteres nicht gemacht hat, hoffe ich, dass er auch für letzteres schlichtweg zu besoffen war.

„Um dich mache ich mir keine Sorgen.“
Ja, tatsächlich unterhalten wir ein recht unterkühltes Verhältnis. Das liegt wohl an mir und meiner Art, mit der ich zweiundzwanzigjährigen Mädels begegne, die sich wie ein Hausmütterchen in den Wechseljahren aufführen. Sie ist wohl das, was man in Kontaktanzeigen einen „häuslichen Typ“ nennt: stets besorgt um ihren „Schatzi“ und verliebt in ihren Haushalt, den sie mit Stolz und Freude führt, der mich aber ankotzt, weil ich mir bestimmt nicht die Schuhe abtreten will, mein Geschirr gern selbst in die Küche bringe, wenn mir das passt und bei immer seltener werdenden Filmabenden auch nicht davor zurückschrecke die Füße auf ihren IKEA-Wohnzimmertisch zu legen.

„Johannes ist im Knast.“
Ich formuliere knapp und klinge noch immer nicht besonders freundlich, aber das sind Anrufe um vier Uhr morgens auch nicht. Leider kommt mir zu spät die Idee, dass Johannes das vielleicht gar nicht gefallen könnte, also dass sie das alles von mir erfährt, aber nun ist es raus und weil ich am anderen Ende der Leitung nur ein entsetztes Luftholen höre, schiebe ich in versöhnlicherem Tonfall schnell hinterher:
„Es geht im gut. Ist auch gar nicht Knast. Nur bei der Polizei und das auch nur für eine Nacht.“

Kettcar - Einer

Mittwoch, November 22, 2006

Kapitel I: Versus

„Kann ich noch eine rauchen, bevor es losgeht?“

Johannes sieht den Gorilla hinter sich fragend an. Der Gorilla nickt mir zu. Ich nestle aus Johannes Hosentasche eine reichlich zerdrückte Packung roter Gauloises hervor. Es dauert eine Weile, bis ich aus all dem Tabakgebrösel noch eine halbwegs brauchbare Zigarette herausfische und ihm in den Mund stecke. Wenigstens ist die Nacht so dunkel und das Licht der Bar hinter uns so schwach, dass ich das Blut nicht sehen muss.
„Feuer?“
- „Andere Tasche.“

Wir blicken schweigend in den Rauch, bis der Rettungswagen davonfährt und kurz darauf die deutlich verspätete Funkstreife eintrifft. Während der jüngere, schlaksige Polizist in einiger Entfernung die Handschellen des Securitygorillas auf Johannes Rücken durch staatliche ersetzt, braucht es eine Weile, bis der breit gebaute Zweisterneschnäuzer vor mir begreift, dass ich nichts, oder nur am Rande mit all dem zu tun habe.

Während er meine Personalien mit stumpfem Bleistift in ein rotes Notizbuch einträgt, denke ich über Johannes nach. Darüber, wie lange wir uns schon kennen und darüber, ob ich ihm so etwas wirklich zugetraut hätte. Ja, ich glaube, dass ich es für möglich gehalten habe. Er ist schon früher ausgerastet, hat rot gesehen.

Damals, als wir Soldaten gespielt haben, am Waldrand, und ich nicht sofort umfallen wollte, weil sein Plastikgewehr eindeutig nicht auf mich zielte, als es dieses spröde Knattern von sich gab, da ist er dann zu mir hingerannt und hat mich in den Schwitzkasten genommen, bis ich wirklich fast tot auf dem Boden lag. Wirklich geschlagen haben wir uns nie. Auch heute nicht. Vielleicht wäre das besser gewesen.

Ich erinnere mich noch an die Sache mit Sascha und dem gebrochenen Arm. Das war mit fünfzehn. Man ist zwar übereingekommen, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat, aber ich habe ohnehin nie daran geglaubt, dass jemand in einem plötzlichen Anfall von Schwäche rückwärts die Leiter zum Dreimeterbrett des Stadtfreibades herunterfällt. Johannes hat mir irgendwann später gestanden, dass es um ein Mädchen ging. Christiane, oder so. Das hat dann später etwa so lange gehalten, wie der Gips an Saschas Arm.

Ein jähzorniger Junge, meinten Eltern und Lehrer gleichermaßen. Er würde sich schon beruhigen, wenn er älter würde. Tatsächlich behielten sie Recht. Spätestens, seit er vor drei Jahren in diese beinahe eheähnliche Beziehung mit Andrea angefangen hat, ist er ruhiger geworden. Nun, was auch immer sich in ihm geändert haben mag, es hat nur bis heute Abend gehalten.

Jetzt also Polizeipremiere. Der Schnauzbart bedankt sich und wünscht in brummendem Tonfall einen schönen Abend. Ja, einen schönen Abend werden wir haben, mein Gewissen und ich.
„Was passiert jetzt mit ihm?“ will ich wissen.
„Die Nacht bleibt er bei uns.“ ist die knappe Antwort.

Der Schlaks nimmt noch die Zigarette aus Johannes Mundwinkel und wirft sie achtlos auf den Bordstein, wo sie Funken wirft, bevor er dem Gefesselten auf die Rückbank des Wagens hilft.

Als die Streife anfährt, starrt Johannes ins Leere und ich auf den Rest Zigarette auf dem Boden, der nach einer Weile in der kühlen Novembernacht verglimmt. Ich fange an zu zittern. Mir ist kalt.

Samstag, November 18, 2006

Bilder und Bälle

Heute hatte ich Bundesligapremiere. Als Zuschauer - selbstverständlich. Zuschauer bitte nicht verwechseln mit Fan, denn bei Fußball geht meine Begeisterung kaum über die National- und damit gleichzeitig Konsensmannschaft hinaus, sowie für das jeweilige Team, dessen Geschicke ich bei FIFA07 lenke.

Überhaupt das erste Mal, dass ich über Regionalliga, die ich mir beizeiten wegen der Arbeit ansehen muss, hinauskomme. Um es kurz zu machen: Dortmund hat verloren und ich erkläre heißen Kakao zum neuen Stadiongetränk. Das wird Kult. Da bin ich sicher.

Fotoblog:





Der Fänger im Rice

So. Die Platte für Herbst/Winter scheint gefunden. Ein Punkt zum abhaken. Jetzt brauch ich mal wieder gute Musik für auf die Fresse...
Damien Rice & Lisa Hannigan - 9 Crimes (live)

Sonntag, November 12, 2006

Gopher Broke

Eine Sache geht ja auch bei Ereignisflaute: Internet. Na dann...

Gopher sind seltsame Tiere, die aber scheinbar für jeden Spaß zu haben sind - und das nicht zuletzt, seit sie zu Beginn der 80er Jahre in Form eines besonders hartnäckigen Exemplars gegen Chevy Chase antraten. Hier nun ein ebenso dreister, wie tollpatschiger Vertreter der Gattung Gopher. Damit viel Freude.

Rien ne va plus

Nun, es lässt sich nicht leugnen, dass ich seit der Rückkehr aus Düsseldorf nur sehr wenig zustande bringe (exemplarisch hierfür sei nur die Reiseasche erwähnt, die ich seit meiner Evakuierung noch nicht auspackte). Das gilt sowohl im Allgemeinen, als auch für diesen Ort im Speziellen. Gründe dafür gibt es viele, Entschuldigungen gleichermaßen. Hauptsächlich liegt es jedoch daran, dass nichts geschieht. Geschichten über mein zunehmend langweiliges Studium erachte ich als wenig erzählenswert, ebenso wie jene Tage des Herumlungerns in eigenen oder fremden Räumen oder die Tatsache, dass sich mein Schlaf-Wach-Rhythmus in der Konsequenz wieder einmal komplett in Richtung Nachtschicht verschob.


Highlights wären lediglich jener Abend, an dem ich den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren schien und jene anderen, an denen eben jener Glaube wieder hergestellt wurde. Doch all zu persönlich soll es hier nicht zugehen und es gilt, Dritte aus der Nummer herauszuhalten, wie ich spätestens seit der Tebis Nador Sache weiß. Eben der beschert mir übrigens noch immer zahlreiche Besuche über die Spiegelseite und Google, da es noch immer Menschen zu geben scheint, die besonderes Interesse für diese Geschichte entwickelt haben. Zum Glück ist es immer der größte Unsinn, mit dem man bekannt wird.

Wie es nun also weitergeht, wird die Zeit zeigen.


Mogwai - Friend Of The Night

Montag, November 06, 2006

Wissta bescheid!


So! Was haben wir gelernt? Schluss mit Magersuchtsdepressionen! Die Zeit, die ihr mit Kalorienzählen und dem Kauf neuer Pflegeprodukte für den perfekten Look (denn auch Dove will nur euer Geld) verbringt, solltet ihr lieber dafür aufwenden, euch ordentlich an nen Fotografen ranzuschmeißen. Jawohl!

Freitag, November 03, 2006

user generated content

Ich habe ja schon davon gehört, dass flickr dazu benutzt wird, kostengünstig - genauer gesagt für lau - an Bilder zu kommen. Nun auch bei mir:

Hallo Nils Rupert,

für Ende 2006 planen wir in der Reihe Zeitbilder einen Band zum Thema "Jugendkulturen in Deutschland. 1989 bis 2005". Bei der Bildrecherche für das cover bin ich auf Ihr Bild "youth of today" gestoßen. Wir überlegen, einen Ausschnitt daraus als Umschlagbild zu verwenden. Dazu meine Fragen: Wären Sie mit einer Verwendung einverstanden? Und könnten Sie mir Feindaten (300 dpi Auflösung bei einer Bildhöhe von 18cm) schicken?

Das Buch erscheint im Rahmen des Publikationsangebotes der Bundeszentrale für politische Bildung und wird gegen eine geringe Bereitstellungsgebühr (2,00 Euro) an Schulen, politisch Interessierte und Mittler der politischen Bildung abgegeben. Geplant ist eine Auflagenhöhe von 10 000 Exemplaren.

Ich würde mich freuen, bald von Ihnen zu hören, und möchte mich bereits jetzt für Ihre Hilfsbereitschaft und Mühe bedanken.

Mit freundlichen Grüßen
i.A.
XXX


Es geht um dieses Bild:
Weil ich im Gedenken an meinen Sozialkundeunterricht in der Schule diese schöne Reihe unterstützen möchte, habe ich das Bild mal geschickt. Außerdem möchte ich sehen, wohin das führt. Ein wenig Sorge bereitet mir allerdings der Ausschnitt, der wohl allein durch die Bildbreite bedingt ist...

Mittwoch, November 01, 2006

Nur Notfälle

"Nur Notfälle" sagt das Handy und da hat es Recht und lügt zugleich, denn es verspricht doch Hilfe. Was aber, wenn Ambulanzen nichts tun können?

Ich möchte mich bei all denen entschuldigen, deren Abend ich wohl ruinierte. Das war keine Absicht.

Elliott Smith - Happiness (live)

Dienstag, Oktober 31, 2006

drum stick

Der Philipp sitzt in Australien und schmeißt mit Stöckchen. Ich mach das nur, damit es kein Bumerang wird und weil es um Musik geht.

Was war Dein erstes selbstgekauftes Album?
Erste selbstgekaufte Single: Public Enemy – He Got Game (Mit spitzenmäßigem Instrumental zum selber rappen – yeah!)
Erstes selbstgekauftes Album, ich werde fünfzehn gewesen sein: The Watchmen – Silent Radar

Was war Dein erstes, welches Dein bislang letztes Konzert?
Erstes: Subway To Sally mit geschätzten fünfzehn oder sechzehn Lenzen. Ein Bekannter meinte, es käme mal eine Rockband nach Menden… Nun, Internet gab es damals noch nicht um sich zu informieren und wir waren am Ende die einzigen, die nicht lange Haare zu schwarzen Kutten trugen. Klarer Fall von Fehl am Platze.

Letztes: Tomte, Düsseldorf. Dazu ist alles gesagt.

Welche aufgelöste Band vermisst Du am meisten / sollte sich wieder zusammenfinden?
At The Drive-In. Nichts von dem, was die Jungs danach gemacht haben, hat an ATDI herangereicht. Ich ärgere mich immer noch, dass ich damals nicht mit meinem Englischlehrer zu einem ihrer letzten Konzerte nach Bochum gefahren bin. Schuld war eine Mathearbeit am nächsten morgen. „Die kommen ja noch mal wieder…“

Auch schade ist es um Far.

Welches war das mieseste Konzert, das Du erleben musstest?
Das mieseste Konzert habe ich vor einem halben Jahr fotografiert – war also nicht freiwillig da. Jugendzentrum Menden Platte Heide: Pseudoghettokids blaffen sich gegenseitig an, weil das „Mic“ nicht geht. Alles dauert viel zu lange, dazu ist es zu eng, zu heiß und ich bin zu alt. Durchschnittsalter sechzehn, Bier in Strömen und „PanzerRap“ können nicht, weil ja das Mic nicht will. Schließlich blafft mich eine vierzehnjährige an: „Ey Digga, verpiss dich da vorne mal mit deiner Scheißcam! Ich seh gar nix Alter!“

Das beste Konzert geben Radiohead in Nimwegen – mit siebzig Mark damals unheimlich teuer (heute eher normal) dafür aber im eigenen Zirkuszelt mit Jahrmarktatmosphäre und einer Vorband namens Sigur Rós, die zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand kennt. Der Dank geht an Achim Schröter für einen super Abend.

Welches Album aus Deinem Besitz hast Du am längsten nicht mehr gehört?
Vermutlich: Die Doofen – Lieder, die die Welt nicht braucht. Ich würde ja gern, aber ich kann es nicht finden.

…und welches am Häufigsten?
iTunes behauptet, das sei Elliott Smith – XO, aber iTunes ist auch noch jung in dieser Version und das Album habe ich erst seit September. Sonst dürfte es wohl irgendein Deftones Album sein, das mich durch postpubertäre Phasen begleitete. Alternativ wohl eines von Mogwai, die mir bei sämtlichen Schreibarbeiten assistieren. Sonst gibt es das hier ja auch als schöne Übersicht.

Damit mich der Blitz nicht beim scheißen trifft, wäre es fein, wenn sich das hier jemand abholt. Ich mag da niemanden benennen. Mir ist so gar nicht nach Befehlen im Moment.

Nun, auf die Frage nach dem besten Musikvideo hätte ich wohl unter anderem hiermit geantwortet.
Radiohead - Street Spirit

Montag, Oktober 30, 2006

Retreat! Retreat!

Der Auszug mit Grippe von Vortagen in den Knochen ist kein Vergnügen, doch ist es mir egal, dass es aussehen muss, als habe ich soeben die Sahara durchmessen: unglaublich müde und klebrig verschwitzt. Glücklicherweise stellt sich bei der letzten Tüte, die ich ins Auto trage, heraus, dass der Wagen wohl ziemlich genau für diese Menge an Fracht ausgelegt scheint. Mit aller IKEA-Parkplatzerfahrung meines Lebens habe ich es geschafft, den Inhalt eines 13 m² Zimmers in ein ungleich kleineres Automobil zu quetschen.

Der Moment, in dem ich die Schlüssel zum Wohnheim in den Briefkasten der Verwaltung werfe, hat etwas ungemein Befreiendes. Dann aber der Schock: Düsseldorf will mich nicht loslassen. Oder besser: Meine Handbremse will nicht loslassen. Das linke Hinterrad sitzt fest. Ich verwerfe den Gedanken daran von meiner seinerzeit gewissenhaft abgeschlossenen ADAC Mitgliedschaft gebrauch zu machen und versuche es lieber mit roher Gewalt. Nach ein paar Minuten schleifender Geräusche, bockendem Motor und lauter Flüche trete ich in einem letzten Versuch das Gaspedal ganz durch. Der Wagen bewegte sich zuerst langsam, es beginnt nach verbranntem Gummi zu stinken. Dann schießt er ruckartig los. Handbremse gelöst. Gewalt 1, Auto 0. Im Wegfahren bemerke ich dann die Schleifspuren, die mein Reifen über den halben Platz gezogen hat und freue mich über diesen letzten Beweis meiner Anwesenheit.

Es ist in einer Baustelle, Geschwindigkeitsbegrenzung 80 km/h, als blinkendes Licht im Rückspiegel versucht, meinen Wagen auf die rechte Spur der Autobahn zu zwingen. Ich lasse mir Zeit und überholte zunächst noch den LKW, in den das Licht mich scheinbar am liebsten hineingedrängt hätte und bin noch nicht ganz wieder zurück auf dem rechten Fahrstreifen angekommen, als es vorbeischießt. Dunkler Audi A8, D-MX-Wasweißich. Ein letzter Gruß aus Düsseldorf.

Ich stehe im Wohnzimmer meines Elternhauses und möchte soeben die Rückkehr des verlorenen Sohnes nach vier Monaten Düsseldorf bekannt geben, als die Vergangenheit sich mit dem leisen Ton einer empfangenen SMS-Nachricht ankündigt.

Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass wir uns treffen. Es wäre erzwungen und falsch. Tut mir leid, dass ich mich so lang nicht gemeldet habe…alles gute.

Es gibt Nachrichten, die bleiben besser ungeschrieben. Und es gibt Momente, in denen bleiben sie besser ungelesen. Ich werde nicht antworten. Dann würde alles nur schlimmer.
The Postal Service - District Sleeps Alone Tonight

Freitag, Oktober 27, 2006

Notausstieg

Auf Wiedersehen, nein, Lebewohl Düsseldorf. Das eine Auge weint und das andere lacht. Die Nase tropft sogar. Ja, Grippe hat zugeschlagen. Ich erkläre die Abstinenz der letzten Tage also einfach mit profaner Krankheit. Morgen wird ausgezogen – aus dem Wohnheim, aus Düsseldorf. Auf auf und davon.

Eels - Packing Blankets

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Von Hasen und Jägern

Horrido ist - ähm - do! Das Filmprojekt, an dem ich vor knapp einem Jahr mitwirkte, kann nun bei youtube bestaunt werden. Wer sich also knapp acht Minuten sinnfreien Spaßes hingeben will, der drücke auf "play".

Montag, Oktober 23, 2006

Die Spiegel-Affäre

Heiliger Strohsack! Seit diesem Wochenende trage ich Mitschuld an einem kleinen Web 2.0 Phänomen. Vergesst lonelygirl15, hier kommt Tebis Nador. Aber von Anfang an.

Es ist Samstag und ich sitze in meiner Vorlesungspremiere für dieses Semester - ja, Samstagsvorlesungen, das nenne ich Einsatz – als das Gerücht aufkommt, das große Interview mit Tebis Nador sei auf Spiegel Online verlinkt. Das wird zunächst natürlich nicht geglaubt, dennoch ersinnen „Tebis“, der neben mir sitzt, und ich für kurze Zeit die möglichen Konsequenzen, sollte an diesem Gerücht mehr dran sein.

In der Pause verschafft WLAN Gewissheit: Tatsächlich: Tebis wird für jenes „Forschungsprojekt“ verlinkt, dessen Durchführung er vorgegeben hatte. Selbstverständlich sind wir zunächst einmal begeistert. Die Begeisterung wird kurz darauf noch davon gestützt, dass Google Analytics eine Explosion der Klickzahlen meldet.

Im Laufe des Nachmittags kommt dann eins zum anderen:

  • Immer mehr, zumeist männliche, Kommentatoren verewigen sich auf Tebis’ Profilseite im Studiverzeichnis mit sinnleeren und –losen Anmerkungen zum Thema. Generell wird seine Aktion mit „gelungen“, „cool“ oder gar „saucool“ bewertet.
  • Es wird eigens ein Fanclub gegründet. Man berät, welche der mit Tebis befreundeten Damen man zur Königin des Clubs krönen soll.
  • Tebis bekommt Nachrichten von Menschen, die er nicht kennt.

Gegen Abend eine E-Mail von Tebis bezüglich einer Gegendarstellung: ein Professor aus Düsseldorf schrieb ihn auf Umwegen an, er möge ihm doch sagen, bei welchem Dozenten er eben jene „Studie“ durchgeführt hat, da es bereits mehrere Anfragen diesbezüglich gegeben habe. Ich habe ihm damals gesagt, er solle nicht flunkern, aber gut, das hat er nun davon. Ich schreibe eine Gegendarstellung, der Professor ist zufrieden.

Generell also von vielen Seiten Lob und Bewunderung für Tebis. Und was ist für mich dabei abgefallen?

  • Google Analytics sieht endlich so aus, wie ich mir das immer geträumt habe: ein Seismograph auf der Rüttelplatte. Am Ende des Tages sind es 5400 Besuche, an den beiden folgenden Tagen noch jeweils 1500. Wenn mir mal ganz irre langweilig ist, habe ich nun also einen schicken Datensatz zur Analyse.
  • Der Blogindex bei Technorati klettert mal eben um 300.000 Stellen nach oben.
  • Ich muss mich anmachen und beleidigen lassen. Die Welt ist ungerecht.

Was am Ende bleibt ist ein fader Beigeschmack über die Medienmacht von Spiegel Online, denen scheinbar sogar dann noch geglaubt wird, wenn Worte wie „Forschungsprojekt“ in Anführungsstrichen stehen. Auf der anderen Seite hege ich mittlerweile nicht nur deshalb schwere Zweifel an der Textkompetenz vieler Menschen, die nicht erkennen, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Spaß handelt und hoffentlich vermutlich unter diesem Gesichtspunkt überhaupt verlinkt wurde. Außerdem die Gewissheit, dass es immer jemanden geben wird, der auf fahrende Züge aufspringt.

Wenn sich der Rummel um seine Person gelegt hat, werde ich Tebis, der nun nur noch 98 Freunde hat, bitten, dass er noch einmal ein wenig von seinen Erlebnissen berichtet. Es bleibt also weiterhin spannend.

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Mittelstrahl im Mittelfeld

Der Ort niederer Bedürfnisse ist ein Ort der Sauberkeit. Weißgekachelte Wände reflektieren Licht aus in die Decke eingelassenen Halogenstrahlern, der grau melierte Boden ist leicht angeraut. Rutschfest auch in Notfällen. Cremefarbene Waschbecken werden von einem dunkelroten Waschtisch eingefasst, dahinter Spiegel in Zweimeterbreite.

Eigentlich hoffe ich, allein zu sein. Das hoffe ich öfter, aber beim Besuch von öffentlichen Toiletten ist es nur allein wirklich am Schönsten. Für all jene, die Herrenklos nur aus Versehen oder Filmen kennen sei hierzu gesagt, dass es sich um einen Ort des Schweigens handelt. Ein Zentrum der Meditation, in dem es einzig um eine schnelle Erleichterung geht, welcher Art auch immer. Außerdem ist dies der Ort, an dem – nun ja – die Karten auf den Tisch gelegt werden. Es ist nicht so, dass ein offizielles Lattenmessen veranstaltet wird, aber es lassen sich zum Teil schon wandernde Blicke feststellen.

Dagegen gibt es Toiletten mit Sichtschutz, aber die sind selten. Außerdem ist das eine Sache für Weichprinten. Ja, die gibt es auch hier: Weichprinten. Das sind dann jene Herren, die sich auch für kleine Geschäfte auf die hinter Trennwänden der Kabinen verborgenen Tiefspüler zurückziehen. Dort weht aber gemeinhin ein rauer Wind, ist doch der Umgang mit der Klobürste einigen nur in der Theorie vertraut.

An den Pissoirs wird gemeinhin immer mindestens eines als Abstand gelassen. Dies ist ein so natürlicher Prozess, dass darüber nachzudenken wäre, für jedes zweite Pissoir eine Attrappe aus Pappmache herzustellen um Kosten einzusparen. Selten findet man auch „Pinkelrinnen“, deren Umgebung allerdings nur in Ausnahmefällen sauber sind, so dass man besser im Vorhinein kontrolliert, ob die Hose nicht vielleicht an den Boden herabreicht.

Genug der Erklärung, zurück zur Situation und damit zurück zu mir. Mittlerweile habe ich den Waschbereich der Vodafonetoilette durchmessen und steuere nun auf das Mekka der Blasenschwachen zu. Dass ich nicht allein bin, melden meine Augenwinkel fast augenblicklich beim Betreten des Raumes. Ein schwarzer Schatten lehnt an der Wand zu meiner Linken. Dort, bei den Pissoirs. Als ich den Kopf wende, wird aus dem schwarzen Schatten ein schwarzer Anzug und schließlich ein Mann, der in diesem Anzug steckt.

Freihändig ist sicher die größte Kunst des Toilettengangs. Dieser Mann lehnt dort, die linke Hand als Stütze an der Wand, in der Rechten sein Blackberry und liest eine Email oder sonst etwas, während er gerade beginnt, das Porzellan zu wässern. Ich bin beeindruckt und besorgt zugleich, denn es gibt nur zwei Pissoirs, also keinen Puffer zwischen uns und ich werde mich wohl auf die Freihandkünste dieses Mannes verlassen müssen.

Als er meine Schritte hört, verschwindet das Blackberry in der Anzugtasche und die Hand ist dort, wo sie eigentlich hingehört. Ich bin erleichtert. Während ich den Gürtel öffne, höre ich hinter mir, wie kleine Festkörper die Wasseroberfläche durchschlagen. Dazu die Geräusche von Herumrutschen auf Ledersofas. Ich erinnere die rote Markierung am Schloss einer der beiden Toiletten. Wir sind also zu dritt. Sehr schön.

Mittlerweile bin ich vorbereitet und es dürfte jetzt auch eigentlich losgehen. Der Anzugmann hat kurz seinen kritischen Blick zu mir Schweifen lassen und ich wäre dann jetzt so weit. Also bitte: Wasser Marsch! Auf Auf! Herrje. Da tut sich nichts.

Das ist das Problem, wenn es kein „ich muss mal eben dringend“-Klobesuch ist, sondern einer der Marke „ich geh mal vorsichtshalber“. Vorsichtshalber setzt sich aus den beiden Faktoren „einstündiges Meeting in fünf Minuten“ und „ein halber Liter Apfelschorle in der letzten Stunde“ zusammen. Also bitte, konzentrier dich jetzt mal.

Mit Konzentration ist es nicht weit her. Konzentration macht Urlaub in Schottland. Genauer gesagt ist sie gerade am Flughafen. Jawohl. Glasgow Prestwick International Airport. Einer jener Flughäfen, die, irgendwann in den Dreißigern gebaut, nicht mehr dem Verkehrsaufkommen heutiger Tage begegnen konnten und so brach lagen, bis die Billigfluglinien sich nach Standortalternativen umsahen, an denen sie ihre Hubs hochziehen konnten+.

Glasgow Prestwick liegt eine Dreiviertelstunde von Glasgow entfernt, trotz des Namens. Ich habe die zu jener Zeit noch eher laschen Sicherheitskontrollen hinter mir und sitze in der Wartehalle vor einem der beiden übrig gebliebenen Gates auf Mobiliar, das seine Glanzzeit wohl in den siebziger Jahren hatte. Schön ist auch, dass Teppich ausliegt, dessen Farbe sich am besten mit einem Olivton beschreiben lassen würde. Er dämpft die Schritte und das Schreien der herumtobenden Kinder.

Ich kaue gerade auf dem für das letzte großbritische Kleingeld erstandenen Schokoriegel herum und beobachte Menschen. Merkwürdig, dass Billigfluglinien so ziemlich alle Menschen an einen Ort bringen. Vom Fußballverein der schottischen Jungen mit den abstehenden Ohren bis zu dem bulligen Mann im Anzug mit obligatorischem Laptop auf dem Schoß.

Ein wenig abseits sitzen drei Männer in Anzügen, die sich angeregt unterhalten. Der kleinste der drei ist ein wenig rundlicher gebaut, das braune Sakko und die Halbglatze erinnern an Danny de Vito. Er hat einen Koffer neben sich stehen, auf dem eine Hand liegt, so, als müsse er ihn beschützen. Der zweite in der Runde ist ein Hüne, der sicher zwei Meter misst. Der mit Abstand älteste der drei hat sein graues Haar zu einem strengen Seitenscheitel gezwungen und sitzt mit versteinerter Mine, was ihn bei seinen Gesichtszügen nicht gerade freundlich wirken lässt.

Den dritten Mann kann ich nicht erkennen, denn er sitzt mit dem Rücken zu mir. Er ist schmächtig und wirkt im Vergleich zu seinen Tischnachbarn deutlich harmloser, was vermutlich daher rührt, dass sein Anzug mindestens zwei Nummern zu groß ist und ihn wie einen Konfirmanten wirken lässt. Beide, der Schmächtige und der Hüne, hören den Ausführungen de Vitos zu, der dazu wild mit der freien Hand gestikuliert, während die andere stets auf dem Koffer ruht.

Ein seltsames Gespann, das überhaupt gar nicht in diese Umgebung passen will. Wer mögen die sein? Geschäftspartner? Bankräuber? Mafia? Mein Blick hat einen neuen Fixpunkt und meine verschwörungstheoretischen Ansätze werden von der Durchsage gestört, dass der Flug nach Rom nun bereit zum boarding sei. Einige Unruhe macht sich in der Wartehalle breit als genervte Mütter und cholerische Väter ihren Nachwuchs für den Aufbruch gen Süden zusammenrufen. Dies scheint auch dem schmächtigen Verschwörer aufzufallen, denn er wendet seinen Kopf um einen Blick auf das Treiben zu werfen. Ich erkenne das Profil und verschlucke mich fast am letzten Bissen meines Schokoriegels. Das ist doch? Nein, das kann doch nicht… Bestimmt nicht.

Aber ich möchte doch sicher sein. Darum wechsele ich den Platz. Näher heran, ein besserer Winkel, weil ja grad Platz ist, wegen Rom. Ja, das könnte er tatsächlich sein. Aber wer sind dann diese Männer? Es bleibt immer noch seltsam und ich mag nicht recht daran glauben, bis ein Vater seinen fünfjährigen Sprössling mit einem Filzschreiber und T-Shirt zu jenem Mann schickt. Ich habe keine Zeit, mich zu wundern, warum man die Ausrüstung für eine spontane Autogrammstunde an einem Flughafen mitführt, denn der Mann nimmt beides, unterschreibt und reicht es dem Jungen zurück. Jetzt ist es gewiss. Ich hatte Recht.

Die gleiche knarzige Stimme von eben ruft nun dazu auf, die Passagiere nach Weeze mögen sich bereithalten. Dazu gehöre auch ich und weil Flugzeugtoiletten kein besonders schöner Platz sind, beschließe ich, noch einmal auf schottischem Gebiet eine Marke zu hinterlassen. Zwischen mir und dem Sanitärbereich steht die Schlange nach Rom und ich brauche einige Zeit und reichlich Überzeugungskraft, dass ich mich nicht vordrängeln möchte, um die Schlange durchmessen und auf die Tür mit dem männlichen Piktogramm zusteuern zu können. Kurz bevor ich die Tür zum stillen Ort aufstoßen kann, kommt mir jemand zuvor. Ich beiße mir fast auf die Zunge, denn vor mir betritt der hagere Autogrammgeber den Raum.

Mir fällt auf, dass er einen guten Kopf kleiner ist als ich, denn ich blicke von oben auf schütteres Haar. Er schreitet unerkannt durch den Waschbereich und stellt sich entschlossen vor das letzte freie Pissoir. Keine fünf Sekunden später verlässt der Herr zu seiner Rechten den Nachbarplatz. Das ist nun meiner. Ich stelle mich neben den Mann, der mittlerweile schon in Startposition ist. Ich kann meinen Gürtel nur mit zittrigen Händen öffnen und das Grinsen wird wohl länger nicht aus meinem Gesicht verschwinden bei all der Absurdität dieser Szene. Neben mir beginnt das Plätschern und ich wage es nicht, hinzusehen. Ich wäre dann auch soweit. Aber da tut sich nichts. Tote Hose, sozusagen. Ich befehle meiner Blase, endlich loszulassen und sich zu entspannen. Aber wenn das Zwerchfell grad irre Lust auf lautes Lachen hat, ist das leichter gesagt als getan.

So stehe ich also und es passiert einfach nichts. Ich zähle die Sekunden, versuche, langsam zu Atmen, mich zu beruhigen, damit dieser einigermaßen peinliche Moment doch nun endlich vorübergehen möge. Es hilft nichts. Ich stehe etwa eine halbe Minute da, ohne dass sich irgendetwas tut. Mein linker Nachbar hat da mehr Erfolg. Nach langem Geplätscher versiegt der schier unerschöpfliche Quell schließlich und er bringt sich und seinen Hosenstall wieder in den Originalzustand. Ich stehe noch immer da – einfach so. Das breite Grinsen und das trockene Pissoir. Ein komisches Bild. Er betätigt die Klospülung und verschwindet zu den Waschbecken. Das ist der Moment, in dem sich etwas in mir löst: Wasser marsch.

Ich bitte um Verständnis. Ich habe generell keine Probleme beim Harnlassen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen ist, das musste ich seinerzeit feststellen, pinkeln mit Berti Vogts.

Es reicht sogar die Erinnerung an diesen Moment um wieder alles ins Stocken zu bringen. Ich erwache aus meiner Erinnerung, als der Blackberrymann neben mir sich einen dummen Spruch nicht verkneifen kann:
„Na, wohl keinen Druck auf der Leitung, was?“
Ich antworte nicht. Der Mann verlässt den Raum und die Automatik beginnt den Spülvorgang. Das ist meine Erlösung. Na bitte, läuft doch.

Dienstag, Oktober 17, 2006

Metafete

Blogger sagt, dies sei Post Nummer 100. Darum klopfe ich nun die eigene Schulter und öffne eine Tüte Gummibären, denn nach richtig Party ist mir grad nicht, ebensowenig wie nach richtig schreiben, ist doch Kopfschmerz mein treuester Begleiter am heutigen Tage. Glückwünsche und Mitleid sind jedoch gern gesehen Gäste.


Ach, weil ihr es seid:

Freitag, Oktober 13, 2006

Von Hunden und Hasen

„Hey, das ist ja der Sänger von Tomte.“
- „Du meinst: das ist ja Thees Uhlmann!“
„Äh, ja. Genau.“

Konzertgespräche zwischen Erkennen und – nun ja – Erkenntnis. Herr Uhlmann steht vorn rum und zeigt die, so kündigt er sie wenigstens an, lustigsten Dias des Festivalsommers und ist dabei recht unterhaltend. Er versteht es, das Publikum zum Schmunzeln, ja zum Lachen zu bringen. Darüber hinaus eigentlich eine schöne Idee, das mit den Fotos und sich mal von der Nichtsängerseite zu zeigen. Kann er wirklich gut, der Thees, das muss man ihm lassen.

Als der Diavortrag beendet ist, herrscht kurzes Zweifeln am Fortgang des Abends. Als dann aber noch eine Vorband angekündigt wird, verlassen viele den Saal. Das, liebe Ignoranten, war ein Fehler. Es mag an mir liegen oder an dem Umstand, dass ich so selten auf Konzerten meiner absoluten Top-Lieblings-Bands bin, aber es kommt recht oft vor, dass ich die Vorband schlicht besser finde als alles, was danach kommt. Das war schon damals so, als unbekannte Glassjaw für Soulfly eröffneten, oder als ebenso unbekannte Sigur Ros vor Radiohead auftraten.

So war es dann auch dieses Mal. Es spielen zum Tanz auf: Sir Simon Battle. Seltsamer Name und von Battle nicht die Spur. Eher Beatle, wenn man die Frisuren besieht. Sir Simon und Konsorten liegen irgendwo zwischen den Weakerthans und The Notwist und treffen mit jener Musik, die ich mir des Sonntags für Spazierfahrten ins Auto wünsche, ins Schwarze. Wenigstens bei mir, wenigstens heute. Dieser heimelige Eindruck wird nur verstärkt vom Auftreten, das an verspielte junge Hunde erinnert: da ist die Gitarre mal nicht ganz festschnallt, das Keyboard nicht angestellt oder der Mikrofonständer nicht eingestellt. So müssen Konzerte sein. Das ganze noch charmant verpackt und fertig ist die Freude.

Tomte sind dagegen ganz die alten Hasen. Ein munterer Mix aus Titeln der vergangenen Jahre und neuerem Werk, dazwischen mal Ansagen, mal keine und wenn das Publikum sich meldet, wird damit regelmäßig schlagfertig umgegangen. Doch etwas stört. Was mag es sein? Ja, sicher, ich kann nicht besonders toll sehen, weil sich gleich eine ganze Reihe von Zweimeterhühnen ihre Einmeterfreundinnen als Vorwand genommen haben, sich in der Mitte des Saales aufzustellen und mit einer Mauer aus hin- und herwiegenden Köpfen die Sicht auf die Bühne einzuschränken. Aber die Aussicht vermiest mir nicht die Stimmung.

Ist es dann vielleicht der, sich schon aus dem Einstiegsdialog ableitende, Personenkult um Thees Uhlmann, der, oft als einziger vom Spot angestrahlt, dort vorn vor sich hin singt? Nein, auch dass dort vorn der neue deutsche Indiepapst trällert, kümmert mich nur nebenbei.
Es ist auch nicht der Arbeitstag, der Kopf und Knochen zwar schmerzen lässt, mir jedoch auch noch immer großen Spaß an Sir Simon Battle vergönnte. Also auch auszuschließen.

Ich brauche einige Lieder, bis ich es merke. Es ist die Musik. Herrgott, es ist doch einfach: Die Musik. Ich habe ja schon das neue Album nicht sonderlich gemocht, als ich es in den letzten Tagen hörte. Nicht sonderlich mögen können, denn ich habe mir Mühe gegeben. Aber nun wird es wirklich evident: Tomte sind unglaublich langweilig! Sie spielen nur Wiederholungen. Bis auf wenige Ausnahmen alles Kopien ein und desselben Songs. Eine Suppe, Eintopf, Bierwurst.

Meine Gedanken verfinstern sich über diese Feststellung und schon bald muss ich so aussehen wie jemand, der Gratisdresche verteilen will, weil er einen schlechten Tag hatte. Jedes weitere Lied bestätigt meine Theorie und es entwickelt sich sozusagen ein Teufelskreis, den mein Kopf sich zusammenreimt um auch unter keinen Umständen Freude an diesem Abend zu empfinden. Dazu bedarf es dann einer Mittdreißigerin mit Kurzhaarfrisur, die links vor mir steht. Sie zückt ihr Uralthandy, dessen große Displayschrift ich auch ohne Brille problemlos aus der Ferne entziffern kann. Sie tippt:

Hallo. Ich glaube, der Abend hier würde dir gefallen. Ich stelle mir vor, wie du hinter mir stehst und dein Atem meinen Nacken streichelt.

Da wird mir klar, dass diese Band heute Abend nicht für mich spielt und das es da so viele Menschen gibt, denen die Musik wirklich etwas bedeutet. Suppe hin oder her. Die Zeit, in der mir einige dieser Songs wichtig waren, ist schon länger vorbei und es macht keinen Sinn, da mehr von einzufordern oder die Zeit zurückdrehen zu wollen. Jetzt sind auch mal andere dran und es muss ja auch irgendwie weitergehen.

Also, Tomte, macht es gut und viel Glück. Es war schön mit euch und vielleicht… na, vielleicht hört man sich ja mal wieder. Nach dem zweiten Song der Zugabe bin ich raus.

The person you've called...

Blog an, Blog aus, Blog an… und wieder aus. Ich habe, das muss mir geglaubt werden, nichts zur Störung der Erreichbarkeit beigetragen. Es kann also nur einen Schuldigen geben und da zeige ich mal mit dem ausgestreckten Finger auf Blogger. Blogger saugt Arsch und gehört abgeschafft. Es wird also Zeit für einen Fortzug. Nicht nur aus Düsseldorf.

Donnerstag, Oktober 12, 2006

Made in China

Ich werde fünf gewesen sein, sechs vielleicht, als wir uns begegnet sind. Damals, beim einkaufen. Erinnerst du dich noch? Ich mit dieser hässlichen selbst gestrickten Jacke und du einfach so - nackt. Ich, der kleine pausbäckige Junge mit Igelfrisur, der staunend auf dem Estrich des Supermarktes stand und du, der kleine rundliche Plüschwaschbär auf kaltem Metall im Regal.

Ich musste dich erst öfter besuchen, bis du mitkommen konntest, weil du so teuer warst. Dann hab ich dich für einen kurzen Moment aus dem Regal geholt und probegeknuddelt. Es hat dann noch drei Wochen gedauert, bis mein Taschengeld zusammen mit dem Ersparten aus dem geknackten Sparschwein für dich gereicht hat. Drei Wochen, in denen ich immer in Sorge war, man habe dich an jemand anderen verkauft. Als ich dann die dreißig Mark endlich zusammengekratzt hatte, bin ich losgerannt um dich abzuholen und du hast die ganze Zeit gewartet, bis ich dich in meinen Rucksack packen und durch den Regen nach Hause tragen konnte.

Dort haben wir uns dann erstmal kennen gelernt. Ich habe auf deinem Etikett über das „a“ noch schnell zwei Punkte gemacht, denn immerhin warst du ja ein Waschbär und kein Waschbar. Und dann habe ich dich Quang genannt. Das habe ich mir ausgedacht, weil du aus China zu mir gekommen bist und Quang der erste Name war, der für mich richtig nach China geklungen hat.

Danach warst du eigentlich immer mit dabei und hast einiges mitgemacht. Du bist gereist, hast die Grippe mit mir ebensooft überstanden, wie die fiesen Attacken meiner Schwester. Du warst immer für mich da und wenn es mir mal schlecht ging, dann gab es immer einen, an dem ich mich festhalten konnte.

Dann habe ich dich weggetan. In einen großen blauen Sack auf den Dachboden, weil Plüschtiere ja nichts sind für pubertierende Jungs. Da hast du dann gelegen, zusammen mit all den anderen. Ein paar Jahre später hatte ich dich schon vergessen, als ich wieder in diesen großen blauen Sack geschaut hab und du mich angesehen hast. Da konnte ich nicht anders und habe dich wieder mitgenommen. Du durftest bei mir im Regal sitzen und in mein Zimmer schauen, was ja mittlerweile schon das Zimmer eines großen Jungen war.

Aber du hast immer noch so geschaut, dass ich ein ganz schlechtes Gewissen bekommen hab und dich am Ende wieder ins Bett geholt, weil du da ja eigentlich wohnst. Ich habe dir erzählt, was in den letzten Jahren alles passiert ist und du hast mich verstanden. Von da an warst du wieder überall mit dabei, hast alle Hochs mitgefeiert und mich durch Tiefs getröstet. Nur wenn Besuch kommt, verschwindest du immer schnell unter der Decke – na, weil... du verstehst schon...

Jetzt stehe ich bei Vodafone in der Technikabteilung. Vor mir das Büro mit nur einem Fenster, hinter mir der dunkle Flur. Ich habe vor knapp fünf Sekunden angeklopft, die Tür geöffnet, bin eingetreten und im Türrahmen stehen geblieben. Der Mann mit den asiatischen Gesichtszügen schaut mich nun zunehmend fragender an. Ich bin stumm. Ich kann nicht sagen, dass ich gern ein Motorola V6 ausleihen würde für Testzwecke. Das bekomme ich nicht über die Lippen. Stattdessen ist da dieses gnadenlos breite Grinsen in meinem Gesicht. Ich merke, wie aus dem Grinsen ein Lachen werden will und ich unterdrücke mit größter Mühe das Glucksen aus der Magengegend.

Der Mann wird nun ungeduldig.

„Ja, bitte?“

Er schaut mir in die Augen, in denen ich Tränen nur knapp zurückhalten kann. Seine Augenbrauen heben sich fragend, dann verfinstern sich seine Gesichtszüge.

„Was willst du denn?“

Ich muss mich zusammenreißen. Langsam Atmen, an etwas anderes denken. An etwas anderes als einen großen Plüschwaschbären, der dort vor mir sitzt und ansieht, an etwas anderes als an das Türschild, auf dem in schiefen schwarzen Lettern stand:

TSM – Motorola: Cheng, Quang

Mittwoch, Oktober 11, 2006

Ilias

Etwas Düsteres hat seinen Weg zu mir gefunden. Ein Schatten, der durch die Nischen in mein Leben kroch, der sich einnistete, sich bediente, mich verriet. Ich habe einen Trojaner. Den Verdacht hatte ich ja schon länger, aber erst heute konnte ich seine Existenz nachweisen. Das bedurfte eines kompletten Scans mit drei Antivirenprogrammen, nachdem alle Windowshelferlein bereits einen Packt mit dem Bösewicht eingegangen waren und ihn nicht verpetzen wollten.

Eine Ahnung, wie lange so etwas dauert? Hm? Es sind vier Stunden. Vier lange internetlose Stunden. Das Ergebnis: Ja, ich habe einen Trojaner. Ja, ich habe noch immer einen Trojaner. Warum ich den nicht lösche? Weil es nicht geht – wenigstens nicht auf normalem Wege und jene Superprogramme, die mich dabei unterstützen, behaupten, dass sie aus versehen auch enorm Wichtiges einfach so wegputzen können. Nun habe ich Angst und muss zwischen den Übeln wählen. Jetzt aber Ruhe – der Feind liest mit.

Dienstag, Oktober 10, 2006

Film des Tages

Nun, man mag darüber denken, wie man will. Sicher ist es so, dass man nicht um die wahren Ereignisse weiß. Sicher ist es Geld, das mit anderer Leute Unglück verdient wird. Sicher ist es auch noch ein wenig zu früh für so etwas und es besteht sicher die Gefahr, dass man schon bald die Handlung des Films als das ansehen wird, was damals wirklich geschah, an Bord von Flug 93. Aber all diesen Kritikpunkten zum Trotz ist es der im wahrsten Sinne des Wortes aufregendste Film, den ich in den letzten Monaten sah.


Und wo wir grad schon bei Paul Greengrass sind: Für alle, die denken U2s „Bloody Sunday“ sei ein Song über langweilige Sonntage (das ist es nicht), hat dieser Mann vor einiger Zeit einen ebenso aufreibenden Film gemacht.

Montag, Oktober 09, 2006

Mir doch schnuppe

Nacht. Zwischen weißen Strichen irgendwo die Landstraße. Die Tachonadel hängt bei 120 – das ist zu schnell, aber das ist egal. An beiden Seiten dunkle Wiese, auf der sonst Pferde stehen, aber die schlafen sicher schon. Zwanzig Meter Licht, dann nur noch Schemen. Über allem runder Vollmond, verziert mit schickem Hof. Gegenverkehr. Fernlicht in weite Pupillen blendet für einen Moment und ich vertraue auf blinde Streckenkenntnis. Abgeblendet, vorbei, schwarz. Durch dünne Wolkendecke scheint es plötzlich hell. Dann der Feuerball. Ein Wimpernschlag und er verschwindet am Horizont.

Mein katastrophenfilm- und nachrichtengeschädigtes Sensationszentrum meint, dass sei ein abstürzendes Flugzeug, Triebwerksausfall, Trudeln, schließlich reißen die Flügel und das ausströmende Kerosin entzündet sich in heißen Turbinen.

Weiterhin von hier die Anfrage, ob ich eine Kamera dabei habe. Das Kurzzeitgedächtnis bestätigt: Kleine Kamera dabei.

Kritische Stimmen werden aus der Abteilung für technisches Verständnis und dem gesunden Menschenverstand laut: trudelnde Feuerballflugzeuge sind nie und nimmer so schnell.

Kritik wird angenommen und das Sensationszentrum schlägt – ein wenig enttäuscht - als nächstes eine Sternschnuppe vor.

Das Langzeitgedächtnis prüft gelesene Bücher und gesehene Filme, dann Bestätigung der Meldung: Mögliche Sternschnuppe.

Die Anfrage nach der Kamera wird zurückgezogen. Stattdessen erneute Anfrage an das Langzeitgedächtnis: Haben wir so etwas schon einmal gesehen?

Das Langzeitgedächtnis meldet, dass sich die Bildabteilung an nichts ähnliches erinnern kann, außer vielleicht an jene kurzen Blitze, die manchmal am Nachthimmel auftauchen, ohne dass sie mit Sicherheit als Sternschnuppe einzuordnen waren.

Das Büro für Schätzungen meint, dass das wohl schon ziemlich groß gewesen ist, während das Besserwissermanagement mit Informationen über verglühende Felsen und Weltraumschrott hausieren geht.

Man wird sich schließlich einig. Sternschnuppe, ziemlich bis sehr groß. Das Sensationszentrum versucht noch einen möglichen Einschlag in Kilometerentfernung plausibel zu machen, aber das wird dann unterbrochen, als Adrenalin in rauen Mengen ausgeschüttet wird, weil das Sehzentrum die Fahrbahnbegrenzungen nicht mehr dort meldet, wo sie hingehören und stattdessen ein großer Baum im Lichtkegel der Frontscheinwerfer erscheint.

Motorische Reaktion erfolgt per Reflex und Hörnerven melden Reifenquietschen. Als der Baum vorbei ist, beginnt das Sensationszentrum zu jubeln, bekommt dann aber schnell von allen Seiten auf die Mütze.

Was ich mir gewünscht habe, bleibt übrigens geheim.

Logh - Yellow Lights Mean Slow Down, Not Speed Up

Samstag, Oktober 07, 2006

Diesseits des Mississippi

Ich lege noch einmal nach weil ich ja die Woche über kein Internet hatte und weil ich da ja nichts schreiben konnte oder auch nicht wollte und die Zeit damit zugebracht habe, Hörbücher zu hören und weil die Leser ja nun enttäuscht sein werden und ich sie wieder fröhlich stimmen möchte. Auch wenn es nur für die zweiminütige Aufmerksamkeitsspanne ist, die mir und meiner kleinen Plattform zugestanden wird und die ich gerade deshalb möglichst effektiv nutzen möchte.

Genutzt habe ich auch die Zeit in der letzten Woche und mein Archiv durchwühlt und dabei Bilder gefunden, die ich vorher noch nirgends gezeigt habe und darum dachte ich nun, ich könne euch raten lassen, wo das wohl ist oder bei welcher Gelegenheit die Bilder entstanden sind. Damit die Knobelei nicht ganz umsonst ist, lobe ich für die Lösung eine schöne Postkarte aus Düsseldorf aus. Die Idee ist zwar geklaut, aber was macht das schon. Hier die Bilder.

Was ist denn da passiert? Dreimal Gähnen und einmal Sekundenschlaf? Kollektive Müdigkeit? Oder ist es was anderes? Hm. Es gibt einen Hinweis, aber der ist schwer zu entdecken und noch schwerer zu deuten – wenigstens ist es das, was ich glaube.

Schön!

Yeah!

Sehr geehrter Herr Nils Rupert,
wir haben Ihre Anmeldung und Ueberweisung erhalten und Sie fuer die Nutzung des Internetanschluss freigeschaltet.
Ihre Kundennummer ist...

Freitag, Oktober 06, 2006

Premium Nachtrag

Ich stolpere grad bei meiner nachmittäglichen Fressnarkoseninternetrunde über einige Zitate aus Bill Clintons großer Rede. Es soll jeder selbst die Qualität des Gesagten bewerten können. Gelangweilte Interessierte Leser werden sich sicher auch gern die Zusammenfassung der Rede durchlesen. Nun mache ich aber Platz für große Worte.
„I love this country (Germany) very much“

“What does the Business an Information Technology School have in common with the rise of terror”

“We live in a world that is good to us”

“Terrorism becomes more equal”

“International cooperation can cancel terrorism-network-leader”

“In a group you will never agree with all decisions that are made”

Premium Content

Da ich zur Rückgewinnung meiner abtrünnigen Zielgruppe – ich war doch nur ein paar Tage nicht online – wohl einiges unternehmen muss, gibt es nun die volle Breitseite Campus-Symposium mit Bild und Text. Premium Content, will ich mal meinen. Hochgeladen unter größten Mühen vom Arbeitsplatz, weil heut Freitag ist und ich mal fünfe gerade sein lassen will. Also dann – bitte sehr:

General Jones, der Hauptredner des ersten Tages trifft in wenigen Minuten ein. Polizei und Sicherheitsdienst liefern sich einen geheimen Wettbewerb im grimmigen Dreinschauen.

Die Anweisung, das Automobil des Generals nicht zu fotografieren, schlage ich in den Wind. Ich frage mich nach wie vor, was er dort denn so besonderes dran oder drin hat? Gut, es wird gepanzert sein, aber das machen die diskreten Herrschaften der Spezialfirmen ja so diskret, dass man davon nichts mitbekommt. Ich suche meine Bilder später nach versteckten Raketenwerfern oder Anzeichen eines Erlkönigs ab und bin schwer enttäuscht.

Der General steigt aus und wird von einem kleinen, bebrillten Mann stürmisch begrüßt. Als General von Welt weiß er damit zu beeindrucken, sich aus der Umarmung des Kleinen elegant zu befreien, noch bevor dieser richtig zupacken kann und verschwindet mit drei Schritten ins Zelt…

… wo das Publikum tobt.

Die Rede, in deren Anfang ich für mich keine interessanten Neuheiten entdecken kann, langweilt bald so sehr, dass ich das Zelt verlasse und stattdessen einen professionellen Schuhputzer fotografiere. Meine romantische Vorstellung, mich in Knickerbockern und Ballonmütze mit einem Stapel Zeitungen neben ihn zu stellen und laut „Extrablatt“ zu rufen, wird dadurch gestört, dass der gute Mann Versicherungen verkauft. Eine seltsame Kombination.

Ich werde hereingerufen und bekomme Geleitschutz durch eine beflissene Helferin, die mich zur Pressekonferenz des Generals bringt. Die interessanteste Person in Raum ist das Tonangelmädel vom WDR. Das steht binnen weniger Sekunden, wenigstens für mich, fest.

Die Legosteinsammlung des Generals ist aber auch nicht von schlechten Eltern. Darum trägt er sie auch offen an der Brust.

Aber auch ihm ist langweilig.

Nicht langweilig ist den versammelten Medienvertretern, die sich im Anschluss mit Kampfgebrüll auf einen kurz angebundenen SACEUR stürzen. Es folgen diverse Stunden der Belanglosigkeit, dann ist der erste Tag zu Ende.

Am zweiten Tag fühlen meine Schultern sich an, als seien meine Schulterblätter durch eine Ladung Kies ersetzt worden. Deshalb knackt und knirscht es wohl auch so. Am Eingang bereits reges Treiben, kommen doch viele der Leute, die immerhin 1500€ für eine Zweitageskarte hingelegt haben, nur heute, um Clinton zu sehen. Man hat es ja.

Ich verpasse konsequent alle Redner des Tages. Gott tut es mir gleich. Er schaut lieber von einer Brücke aus zu.

Was er da sieht, wird er nicht gutheißen können, denn ein armer Pizzabäcker wird von der Außenwelt abgeschnitten. Seit drei Tagen keine Pizza verkauft. Schuld daran trägt die Straßensperre, die etwa 300 Meter vor seinem Laden sämtlichen Verkehr abblockt. In einer Gegend ohne Laufkundschaft keine besonders angenehme Situation. So bleibt der Pizzaofen schadenersatzlos kalt. Er tut mir leid.

Ganz im Gegensatz zu der Besatzungsmacht einen Katzensprung entfernt. Man genießt den sonnigen Tag in lustiger Runde und verzehrt Pommes rot-weiß mit Schnitzel. Ich empfehle ihnen Pizza.

Spaß hat auch der Bombenspürhund, der heute in vielen Autos seine Haare lassen darf. Wir nähern uns „B-Time“ und die Aufregung steigt. Sprechfunkgeräte knacken häufiger, Menschen laufen ein wenig schneller, Gespräche werden immer monothematischer und die Bild-Zeitung setzt das Gerücht in die Welt, dass POTUS doch schon längst vor Ort sei.

Dann kommt Bill wirklich. Vorher hat er sich noch für teures Geld (man spricht von 5000€ pro Person) mit zahlreichen wohlhabenden Menschen fotografieren lassen, Attraktionen der Oberklasse.

Die ist auch ganz verzückt, als sich der Mann, der später von vielen als so unglaublich charismatisch beschrieben wird, auf die Bühne begibt.

Nach der Ankündigung, dass er nun erörtern wird, inwiefern diese Hochschule mit dem Kampf gegen Terror in Verbindung steht, schalte ich meine Ohren aus und den Zeigefinger auf Automatik. Unverschämte Fotografen drängen nach vorn, ich bleibe anständig und werde belohnt, indem ich für eine Minute zur Bühne darf, als Bill grad ordentlich gestikuliert.

Ich überlasse die zur Gestik passende Geschichte einmal der Phantasie der Leser und ziehe mich nach zwanzig Minuten als erster Fotograf aus dem Rednerzelt zurück.

Draußen faulenzt die Regie und ich überlege aus Übermut, ob ich Bills Abreise nicht fotografieren sollte, was bei der Ankunft streng verboten war. Das bedeutet eine Stunde warten, in der ich versuche, möglichst unsichtbar zu sein, nachdem mich zwei beleibte Polizeibeamte bereits einmal des Platzes verwiesen. Das geht auch bis fünf Minuten vor den von mir errechneten Abreisezeitpunkt erstaunlich gut, als neben mir ein untersetzter Mann mit Knopf im Ohr auftaucht.
„Junger Mann, sie haben hier nichts verloren!“
- „Aber ich…“
„Fotografieren ist hier ausdrücklich verboten.“
- „Dann sollte man das vorher mal…“
„Es ist besser, wenn sie jetzt gehen.“
-„Ich meine ja nur, dass…“
„Es ist BESSER, wenn sie JETZT gehen. Bitte verlassen sie das Gelände. Danke.“
Sein ohnehin unfreundlicher Blick lässt nun kurz durchscheinen, dass er mir ratz fatz die Nase gebrochen und mich am Boden hat, wenn er denn nur will. Vielen Dank für das Gespräch. Wo ist der Secret Service, wenn man ihn braucht. Ich wäre lieber von smarten Agenten rausgeschmissen worden, als von einem Aushilfssheriff. Ich verlasse das Gelände.

Draußen sitzt ein anderer Sicherheitsmann und hofft, dass alles ganz schnell vorbei ist. Das hoffe ich mittlerweile auch. Später erfahre ich von einem Kollegen – einem wirklich sehr sehr freundlichem Kollegen, dessen besondere Eigenschaften seine Langsamkeit und eine nach außen strahlende Ruhe sind, dass der Sicherheitsdienst ihm gegenüber richtig ausfallend geworden ist, Schimpfworte inklusive.

Ich beobachte aus der Ferne, wie zahlreiche Helferinnen vom Empfang nach draußen stürmen, ihre Kompaktdigitalkameras mit Superzoom zücken und die Abreise des ehemaligen Präsidenten fürs Familienalbum festhalten. Wieder einmal wurde mit zweierlei Maß gemessen und wieder einmal hat das bessere Maß Brüste. Beim nächsten Mal verkleide ich mich als Frau … oder als Gorilla … denn eine Idee, die mich schon die ganze Zeit nicht losgelassen hat, war der Plan, sich unter einen feinen Anzug ein Gorillakostüm zu ziehen. Nach der Sicherheitskontrolle auf der Toilette den Anzug schnell abgelegt und die Veranstaltung als Primat betreten. Ich wüsste zu gern, wie der Sicherheitsdienst gegen einen Affen mit Eintrittskarte und Sicherheitsausweis zu einer 1500€-Veranstaltung vorgeht. Ob die einen vor die Tür setzen, wenn man sich brav ins Publikum setzt? Ach, meine subversiven Träumereien werde ich ohnehin nie umsetzen.

Gepanzerte Limousinen rauschen mit hohem Tempo an mir vorbei. Das war es dann. Die Menschen strömen kurze Zeit später zu gesponserten Schuttleaudis, obgleich noch Redner folgen. Man hat es ja halt. Nach drei Stunden ist dann alles leer und es bleiben zwei weiße Riesenzelte auf einem planierten Parkplatz als Zeugnis einer Veranstaltung, von der ich nicht sagen kann, was sie mir gebracht hat.

Auf dem Laufenden

Internet, oh Internet. Noch immer bist du fort. Bald bekomme ich dich wieder. Montag erst, wenigstens hoffe ich auf Wochenbeginn. Ich musste lange auf dich warten. Dann anstehen, zweimal. Die Stunde Meditation vor verschlossenen Türen auf kaltem PVC – das alles habe ich für dich getan. Jetzt muss ich dich wieder freikaufen. Zwanzig Euro für vier Gigabyte deines kostbaren Nektars. In Düsseldorf erzielst du noch Spitzenpreise, denn du bist ja auch von besonderer Qualität. Internet, oh Internet. Bald bist du wieder mein.

Montag, Oktober 02, 2006

Trockenblog (Update)

Super. Düsseldorf und ich werden keine Freunde. Das steht nun final fest. Bei all der Scheiße, die in letzter Zeit zusammenkommt, habe ich mir überlegt, daraus einen Turm babylonischen Ausmaßes zu bauen.

Was ist geschenen? Am Wochenende hat man mir meinen Internetzugang gekappt. Von der einen Minute auf die andere - Internet - kein Internet. Da trifft es sich auch gut, dass ich auf einen Fernseher verzichtet habe.

Ich hoffe, dass sich das noch irgendwie regeln lässt, obgleich es wahrscheinlich länger braucht, wenn ich die Verwaltung da richtig einschätze. Ansonsten werde ich vom Arbeitsplatz hoch- und herunterladen müssen. Wird alles nicht schöner.
***Update***
Ich lebe noch und lebe noch immer ohne Netzzugang. Scheinbar halten es Netzadministratoren nicht für nötig, sich zu angegebenen Sprechzeiten in ihren Büros aufzuhalten. Das ist insbesondere deshalb schön, weil Semesterbeginn ist und knapp 30 Leute vor verschlossenen Türen warten.

Freitag, September 29, 2006

Generalprobe


Na, wer ist dieser freundliche Opa mit Gewinnerlächeln? Wer hat aufgepasst? Wer kennt sich aus? Niemand? Mensch. Setzen, sechs. Das ist der SACEUR oder ausgeschrieben der Supreme Allied Commander Europe, oder anders der Chef der NATO – mehr oder weniger. Der Name ist Jones. General Jones – genauer General James L. Jones. Das hört sich nicht nur an, wie aus einem schlechten Tom Clancy Roman, er sieht auch so aus. Dieses Gesicht, an dem jeder Bildhauer seine rechte Freude hätte, zusammen mit dem beinahe sprichwörtlichen Kurzhaarschnitt der Marines. Dazu jene eng geschnittene Uniform mit all den Plastikauszeichnungen, die bei ihm die ungefähre Größe eines Frühstücksbrettchens haben. Kurzum, ein Modellsoldat, der von Vietnam bis Irak schon alles gesehen hat.

Ein netter Nebeneffekt beim Supergeneralsein ist, dass man Sicherheitsstufe 1 genießt. Das bedeutet schicke Panzerlimousinen und zugeschweißte oder wenigstens versiegelte Gullideckel, wohin man kommt. Noch schöner ist, dass alle Personen, in deren Nähe er gelangt, ordentlich kontrolliert werden – sollten. Ja, sollten. Denn ich stand heute etwa drei Meter vom Herrn General entfernt mit einer vollkommen unkontrollierten Fototasche. Ja was wäre denn jetzt gewesen wenn … tja … also ich schätze, dass ich etwa zwanzig Kilo einer Masse von Nutellakonsistenz darin unterbringen könnte. Welches TNT-Äquivalent eine ähnliche Menge Semtex hat, möchte ich gar nicht ausrechnen.

Ich erwähne das ja auch nur, weil ich, kurz nachdem ich eben unkontrolliert und –kontrollierbar in seiner Nähe war, beim Betreten des Veranstaltungszeltes etwa eine halbe Stunde auf die Sicherheitskontrolle warten musste, dann zehn Minuten gecheckt wurde und sogar ein Bild mit meiner Kamera machen musste, um ihre Echtheit zu beweisen. Dabei durften mich für längere Zeit mehrere Sicherheitskräfte richtig böse angucken und meine Fragen mit einem „Hinter der Linie warten!“ beantworten. Später dann nur bis auf fünfzehn Meter auf den Herrn General heran, aus - ihr habt es erraten – Sicherheitsgründen. Sehr schön.

Aber, liebe Sicherheitskräfte, wenn ihr schon so gründlich seit: Was haben uns Schuhbomber und Flüssigsprengstoffe der letzten Zeit gelehrt? Hm? Tja, da war ja nix mit Kontrolle. Kein Hund, der mich beschnuppern durfte und meine Objektive, die ja schöne Aufbewahrungsmittel für wasweißichwas wären blieben auch ungeprüft. Pseudosicherheit und dann das Maul aufreißen. So ist’s recht. Also. Das muss morgen besser werden. Ich möchte dann bitte einmal komplett gefilzt werden, so dass mir nichts einfällt, was ich schmuggeln könnte. Sonst bringe ich dem Clinton ein Glas Nutella vorbei.

Donnerstag, September 28, 2006

GröKotz

Grad machte ich mich noch lustig, doch heute muss ich feststellen, dass meine Heimatstadt von ihrer unrühmlichen Geschichte heimgesucht wird. So etwas ist nicht schön.

Dienstag, September 26, 2006

GröKaZ

Die meisten Künstler schaffen es ja doch immer erst postmortem, den großen Reibach zu machen. So weit, so bekannt. Das diese Theorie auch für andere Berufsgruppen gilt, halte ich nun auch für bewiesen.

Cape Canaveral

„Einmal Leben bitte.
„Darf es noch etwas mehr sein?“
„Danke, so ist genug.“

Zur Hölle mit guten Vorsätzen. Wollte ich vor zwei Wochen noch den Krachhelden meiner Jugend bei einem der raren Deutschlandbesuche beiwohnen, verwarf ich den Plan aufgrund allgemeiner Unlust und Bedenken, nicht wieder zurück zu kommen.

Geschichte wiederholt sich, nur dass ich diesmal neben einer Idee auch Freikarten wegwerfe. Freikarten für Billy Talent, die morgen in Dortmund spielen. Ich mache mir nichts aus Billy Talent, aber ich hätte mir etwas aus dem Abend mit Niko gemacht, der nun nicht stattfinden wird, weil am Mittwoch Beerdigung ist.

Ich verschiebe Starts und Landungen wegen schlechtem Wetter oder technischen Problemen, erkläre jede verschlafene Stunde zum Höhepunkt des Tages. Es wird Zeit, Zündsicherungen abzubauen.


Onelinedrawing - Better Than This (live)
Ich mag, wie er die Songs vermischt.

Montag, September 25, 2006

Im September

Ich kann nicht wissen, dass es das Wochenende der Großväter werden wird, als Neonflackern und blaue Sitzbezüge mich gegen den Schlaf ankämpfen lassen, während der Tageslichtverlust im Fenster mit Dunkelheitszugewinn die Plätze tauscht.

Vater wird später von noch mehr Scheißneuigkeiten sprechen, nachdem ich mit einer halben Stunde Verspätung den Treffpunkt erreiche. Es wird bis zur Autofahrt dauern, bis er damit rausrückt, dass Scheißneuigkeiten Krebs sind und es sein Vater ist, der sich, nachdem der Arzt ihm die Scheißneuigkeiten überbracht hat, als erste Reaktion vollaufen ließ.

Der Mann, den ich bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich ihn sah, als großen Geschichtenerzähler kennen lernte, hat also Krebs. Das, nachdem ihm ein Schlaganfall vor einigen Jahren, der das Sprachzentrum in Mitleidenschaft gezogen hat, schon sein liebstes Hobby arg erschwerte.

Ich werde mich wundern, dass mir all das nicht sehr viel ausmacht, was wohl daran liegen wird, dass ich meine Großeltern väterlicherseits kaum kenne. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack, als Vater anfängt, Nachtodszenarien zu skizzieren und mich nun Mitglied einer Risikogruppe nennt.

Alles wird sich später am Abend relativieren, als ich mich mit den drei verbliebenen Freunden aus Kindertagen zum ersten Mal seit nunmehr einem Jahr treffe. Es wird keine Zeit für Nostalgie bleiben, denn als Dortmund in der 87. Minute noch immer mit einem Tor zurückliegt, bekommt Niko eine Kurzmitteilung, dass sein Großvater einen Anfall hatte, woraufhin er jenes seltene Zusammenkommen von Freunden verlässt.

Am nächsten Tag werde ich es sein, der eine Kurzmitteilung bekommt, in der Niko in knappen Worten erklärt, dass sein Opa nicht durch die Nacht gekommen ist.

Aber all das weiß ich jetzt noch nicht und als der Zugführer eine Verzögerung aufgrund einer Streckensperrung ankündigt, die Felix wenig später mit den Worten „Da hat sich wieder so ein Idiot umgebracht“ kommentieren wird, schlafe ich ein.

Eels - Last Stop: This Town

Freitag, September 22, 2006

Und täglich grüßt das Murmeltier

Der Tag beginnt mit einem Schock, denn Flüssigkristalle haben aus dem Gebilde, was sonst eine Acht darstellt, ein Element entfernt und nun ist aus der Acht eine Neun geworden. Mit einem Satz bin ich aus dem Bett – und prüfe das eben gesehene entsetzt auf meinem Handy. Tatsache: Neun Uhr. Die Zeit - mein alter Erzfeind.

Dazu muss ich erklären, dass ich eigentlich um halb zehn bei Vodafone sein müsste. Dies würde wiederum bedingen, dass ich um 8.50 Uhr in einen Bus steige, um dann die S-Bahn zu erwischen, die mich gegen 9.25 Uhr bei Vodafone vor die Tür setzt. Soweit die Theorie. In der Praxis habe ich mittlerweile herausgefunden, dass ich den Bus um 9.15 Uhr nehmen kann und um 9.45 Uhr bei Vodafone sein kann. So kann ich also 25 Minuten länger schlafen und komme nur 15 Minuten zu spät. Das sind zehn gewonnene Minuten. Meine Zeitmaschine.

Aber ich schweife ab. Es bleiben 15 Minuten, den Bus zu erreichen. Sachen zusammensuchen: 60 Sekunden, der Weg zur Dusche: 20 Sekunden. Feststellen, dass die Dusche nur eiskaltes Wasser ausspuckt: 150 Sekunden, sich gegen eine kalte Dusche entscheiden: 30 Sekunden, sich eine Weichprinte schimpfen: 10 Sekunden, der Rückweg aufs Zimmer: 20 Sekunden, Katzenwäsche: 120 Sekunden, Zähneputzen: 60 Sekunden, anziehen: 120 Sekunden, Rucksack zusammenpacken: 30 Sekunden, Portemonnaie suchen 30 Sekunden, aus dem Zimmer stürmen: 5 Sekunden.

Der Weg bis zur Bushaltestelle wird ziemlich genau 244 Sekunden gedauert haben, denn die Türen sind schon wieder geschlossen, als meine Hand gegen das Glas klopft.

Im Büro scheint es dann, als würde ich mit jeder Ziffer, die ich in Excel eingebe, gleichzeitig einen Teil meiner selbst verlieren. Nicht im Sinne von befreiend, eher im Sinne von verdummend und, das sei versichert, ich gebe an diesem Tag verdammt viele Ziffern in Excel ein. Hinzu das unschöne Gefühl, auf die Morgendusche verzichtet zu haben.

Als ich um Viertel nach sieben in mein Zimmer falle, ist in meinem Kopf nur noch Suppe. Was vermag es also, diesen Umstand zu ändern? Heute gebe ich nicht viel auf ein paar warme Worte, ein wenig Zuneigung und liebe Gesten. Ich will Geschenke! Ein paar habe ich schon gefunden, aber ich trage da noch ein wenig was zusammen, damit Brieftaschen nicht unnötig geleert werden. Also Notizbücher heraus, bald geht es los.

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