Ich kann nicht wissen, dass es das Wochenende der Großväter werden wird, als Neonflackern und blaue Sitzbezüge mich gegen den Schlaf ankämpfen lassen, während der Tageslichtverlust im Fenster mit Dunkelheitszugewinn die Plätze tauscht.
Vater wird später von noch mehr Scheißneuigkeiten sprechen, nachdem ich mit einer halben Stunde Verspätung den Treffpunkt erreiche. Es wird bis zur Autofahrt dauern, bis er damit rausrückt, dass Scheißneuigkeiten Krebs sind und es sein Vater ist, der sich, nachdem der Arzt ihm die Scheißneuigkeiten überbracht hat, als erste Reaktion vollaufen ließ.
Der Mann, den ich bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich ihn sah, als großen Geschichtenerzähler kennen lernte, hat also Krebs. Das, nachdem ihm ein Schlaganfall vor einigen Jahren, der das Sprachzentrum in Mitleidenschaft gezogen hat, schon sein liebstes Hobby arg erschwerte.
Ich werde mich wundern, dass mir all das nicht sehr viel ausmacht, was wohl daran liegen wird, dass ich meine Großeltern väterlicherseits kaum kenne. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack, als Vater anfängt, Nachtodszenarien zu skizzieren und mich nun Mitglied einer Risikogruppe nennt.
Alles wird sich später am Abend relativieren, als ich mich mit den drei verbliebenen Freunden aus Kindertagen zum ersten Mal seit nunmehr einem Jahr treffe. Es wird keine Zeit für Nostalgie bleiben, denn als Dortmund in der 87. Minute noch immer mit einem Tor zurückliegt, bekommt Niko eine Kurzmitteilung, dass sein Großvater einen Anfall hatte, woraufhin er jenes seltene Zusammenkommen von Freunden verlässt.
Am nächsten Tag werde ich es sein, der eine Kurzmitteilung bekommt, in der Niko in knappen Worten erklärt, dass sein Opa nicht durch die Nacht gekommen ist.
Aber all das weiß ich jetzt noch nicht und als der Zugführer eine Verzögerung aufgrund einer Streckensperrung ankündigt, die Felix wenig später mit den Worten „Da hat sich wieder so ein Idiot umgebracht“ kommentieren wird, schlafe ich ein.
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