Liebes Tagebuch, Donnerstag war der Tag, an dem sich mein Glück wenden sollte, als nach der langen Flaute endlich Wind aufkam, als der Silberstreifen am Horizont sich deutlicher vom Schwarz der letzten Tage abzuheben begann.
Dabei ist morgens noch alles beim Alten. Aufstehen, Arbeit, blabla – hatten wir ja schon alles irgendwann einmal erörtert. Abends findet das Vodafone-Sommerfest („Voda-Aloha 2006“), bzw. das Sommerfest der Marketingabteilung statt. Wer auch immer Sommerfeste auf Ende August legt, er wird schon wissen, warum er das tut – irgendwo in seinem verrückten Hirn.
Der Regen der letzten Tage hält die meisten geladenen Gäste davon ab zu kommen und einen Großteil der Anwesenden davon, länger zu bleiben. So ist der Strand am Monkeys Island bald recht leer. Dafür ist die Luft angenehm und der befürchtete Regen bleibt aus. Die Laune meiner Mitprakikanten ist schlecht. Scheißwetter, Scheißessen, Scheißparty. Darauf habe ich keine Lust und beginne mit Jens, dem Musikpraktikanten, ein Gespräch über Musik. Nach namedropping und Schwärmereien für die eine oder andere Band und ganz vielen „kennst dus“ entwickelt sich ein Gespräch über Gott und die Welt. Dabei ist zu sagen, dass es wirklich um Gott und die Welt ging. Ein richtiges Gespräch, in dem wir Ansichten teilen und diskutieren. Das ist schön. Ich bin beeindruckt.
Als sich die Aufmerksamkeit des perfekt durchgeplanten Events, das die Leute mit allerlei „Easy“-Spielen zu begeistern versucht, auf Tanzbarkeiten im Zelt verschiebt und während die neue Marketingpraktikantenblondine einen netten Gelmann findet, der sie zunächst keck mit einer Wasserpistole bespritzt und sich dann mit ihr auf Liegestühle zurückzieht, sitze ich draußen mit Thilo, unserem Werkstudenten, und wir unterhalten uns gut. Wirklich gut. Wenigstens für meine Verhältnisse gut. Ich freue mich und hoffe, dass ich ihm kein Ohr abkaue. Leider ist dies Thilos letzter Tag bei Vodafone.
Man läuft tatsächlich im Kreis, wenn man sich nicht auskennt. Die Straßenbahn macht zur späten Stunde wieder einmal früher Feierabend und ich muss die Hälfte des Weges laufen. Genauer gesagt verlaufen, denn das tue ich nachts nun mit großer Gewissheit.
Soll man die Bauchmuskeln anspannen, wenn man ein Messer in die Magengegend bekommt oder doch lieber locker lassen? Ich entscheide mich für locker lassen, denn das gilt ja auch bei Stürzen, wo entspannte Muskeln größere Verletzungen vermeiden. Die Frage beschäftigt mich wirklich für einige Zeit, denn ich irre durch eine miese Gegend und die Panikmache aus dem Privatfernsehen ist auch an mir nicht spurlos vorübergegangen. Die ersten Menschen, die ich sehe, frage ich nach dem Weg.
Die ersten Menschen sind zwei Mädchen, etwa sechzehn. Sie zucken sichtlich zusammen, als ich mit einem „Tschuldigung“ die Frage nach dem Weg einleite. Da wird mir erst bewusst, dass wohl nicht nur ich Privatfernsehen schaue und das meine Person – unbekannterweise und des Nachts – wohl auch bedrohlich wirken kann. Ich versuche mit einem Lächeln meine Harmlosigkeit zu unterstreichen, woraufhin ich eine knappe Wegbeschreibung erhalte, die mir meine Fehlentscheidungen bei der Routenwahl deutlich vor Augen führt. Zwei Stunden, nachdem ich das Sommerfest verlassen habe bin ich – gegen halb zwei in der früh – endlich auf meinem Zimmer und falle in mein Bett.
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