„Hey, das ist ja der Sänger von Tomte.“
- „Du meinst: das ist ja Thees Uhlmann!“
„Äh, ja. Genau.“
Konzertgespräche zwischen Erkennen und – nun ja – Erkenntnis. Herr Uhlmann steht vorn rum und zeigt die, so kündigt er sie wenigstens an, lustigsten Dias des Festivalsommers und ist dabei recht unterhaltend. Er versteht es, das Publikum zum Schmunzeln, ja zum Lachen zu bringen. Darüber hinaus eigentlich eine schöne Idee, das mit den Fotos und sich mal von der Nichtsängerseite zu zeigen. Kann er wirklich gut, der Thees, das muss man ihm lassen.
Als der Diavortrag beendet ist, herrscht kurzes Zweifeln am Fortgang des Abends. Als dann aber noch eine Vorband angekündigt wird, verlassen viele den Saal. Das, liebe Ignoranten, war ein Fehler. Es mag an mir liegen oder an dem Umstand, dass ich so selten auf Konzerten meiner absoluten Top-Lieblings-Bands bin, aber es kommt recht oft vor, dass ich die Vorband schlicht besser finde als alles, was danach kommt. Das war schon damals so, als unbekannte Glassjaw für Soulfly eröffneten, oder als ebenso unbekannte Sigur Ros vor Radiohead auftraten.
So war es dann auch dieses Mal. Es spielen zum Tanz auf: Sir Simon Battle. Seltsamer Name und von Battle nicht die Spur. Eher Beatle, wenn man die Frisuren besieht. Sir Simon und Konsorten liegen irgendwo zwischen den Weakerthans und The Notwist und treffen mit jener Musik, die ich mir des Sonntags für Spazierfahrten ins Auto wünsche, ins Schwarze. Wenigstens bei mir, wenigstens heute. Dieser heimelige Eindruck wird nur verstärkt vom Auftreten, das an verspielte junge Hunde erinnert: da ist die Gitarre mal nicht ganz festschnallt, das Keyboard nicht angestellt oder der Mikrofonständer nicht eingestellt. So müssen Konzerte sein. Das ganze noch charmant verpackt und fertig ist die Freude.
Tomte sind dagegen ganz die alten Hasen. Ein munterer Mix aus Titeln der vergangenen Jahre und neuerem Werk, dazwischen mal Ansagen, mal keine und wenn das Publikum sich meldet, wird damit regelmäßig schlagfertig umgegangen. Doch etwas stört. Was mag es sein? Ja, sicher, ich kann nicht besonders toll sehen, weil sich gleich eine ganze Reihe von Zweimeterhühnen ihre Einmeterfreundinnen als Vorwand genommen haben, sich in der Mitte des Saales aufzustellen und mit einer Mauer aus hin- und herwiegenden Köpfen die Sicht auf die Bühne einzuschränken. Aber die Aussicht vermiest mir nicht die Stimmung.
Ist es dann vielleicht der, sich schon aus dem Einstiegsdialog ableitende, Personenkult um Thees Uhlmann, der, oft als einziger vom Spot angestrahlt, dort vorn vor sich hin singt? Nein, auch dass dort vorn der neue deutsche Indiepapst trällert, kümmert mich nur nebenbei.
Es ist auch nicht der Arbeitstag, der Kopf und Knochen zwar schmerzen lässt, mir jedoch auch noch immer großen Spaß an Sir Simon Battle vergönnte. Also auch auszuschließen.
Ich brauche einige Lieder, bis ich es merke. Es ist die Musik. Herrgott, es ist doch einfach: Die Musik. Ich habe ja schon das neue Album nicht sonderlich gemocht, als ich es in den letzten Tagen hörte. Nicht sonderlich mögen können, denn ich habe mir Mühe gegeben. Aber nun wird es wirklich evident: Tomte sind unglaublich langweilig! Sie spielen nur Wiederholungen. Bis auf wenige Ausnahmen alles Kopien ein und desselben Songs. Eine Suppe, Eintopf, Bierwurst.
Meine Gedanken verfinstern sich über diese Feststellung und schon bald muss ich so aussehen wie jemand, der Gratisdresche verteilen will, weil er einen schlechten Tag hatte. Jedes weitere Lied bestätigt meine Theorie und es entwickelt sich sozusagen ein Teufelskreis, den mein Kopf sich zusammenreimt um auch unter keinen Umständen Freude an diesem Abend zu empfinden. Dazu bedarf es dann einer Mittdreißigerin mit Kurzhaarfrisur, die links vor mir steht. Sie zückt ihr Uralthandy, dessen große Displayschrift ich auch ohne Brille problemlos aus der Ferne entziffern kann. Sie tippt:
Hallo. Ich glaube, der Abend hier würde dir gefallen. Ich stelle mir vor, wie du hinter mir stehst und dein Atem meinen Nacken streichelt.
Da wird mir klar, dass diese Band heute Abend nicht für mich spielt und das es da so viele Menschen gibt, denen die Musik wirklich etwas bedeutet. Suppe hin oder her. Die Zeit, in der mir einige dieser Songs wichtig waren, ist schon länger vorbei und es macht keinen Sinn, da mehr von einzufordern oder die Zeit zurückdrehen zu wollen. Jetzt sind auch mal andere dran und es muss ja auch irgendwie weitergehen.
Also, Tomte, macht es gut und viel Glück. Es war schön mit euch und vielleicht… na, vielleicht hört man sich ja mal wieder. Nach dem zweiten Song der Zugabe bin ich raus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen