Kapitel IV: Diazepam
Bis dahin ist die Wahrheit meiner Zunge Freund, so einigermaßen jedenfalls. Dann jedoch muss ich aufpassen, dass ich die anschließende „Rangelei“, bei der Johannes ein „paar Schrammen abbekommt“ und sein Gegenüber einmal „unglücklich fällt“, möglichst harmlos beschreibe. Laut meiner Worte dauert die „Auseinandersetzung“ nur „wenige Sekunden“ bis der Sicherheitsdienst erscheint, die beiden „Streithähne trennt“ und schließlich mit Blaulicht wegfahren lässt. Na, wenigstens beim letzten Punkt habe ich nicht gelogen. Dennoch fühle ich mich sehr unwohl.
- „Nee – der ist in Ordnung. Blaues Auge vielleicht – mehr nicht. Ist halt alles doof gelaufen.“
„Was hast du denn gemacht? Hast du ihm gar nicht geholfen.“
Die Frage hatte ich erwartet. Ja, geholfen. Vielleicht habe ich ihm geholfen. Vielleicht stehe ich mit dieser Meinung aber auch allein.
„Ach, weißt du, das ging alles so unglaublich schnell…und bevor ich da überhaupt kapiert hab, was läuft, war es schon vorbei.“
Ging es nicht. War es nicht. Tatsächlich kam es mir ungfassbar lang vor.
„Und die Polizei? Ich meine, warum haben die ihn denn dann mitgenommen – das war doch Notwehr, oder so etwas in der Art!“
- „Ähh, schon irgendwie, weißt doch, wie die Polizei so drauf ist, da ist jeder erstmal schuldig. Alle in einen Sack und dann draufhauen, trifft schon den Richtigen.“
Weil ihr nichts einfällt, was sie mir entgegnen kann, dehnt sie ein „Mmmmhhh“ bis zur Unendlichkeit.
Das meine ich wirklich ernst. Zum einen haben die beiden kein Auto und zum anderen wäre es wohl ganz gut, wenn auch Johannes möglichst schnell von der nun offiziellen Version der Geschichte erfährt, bevor er eine andere erzählt.
„Naja, du hast vielleicht Recht. Ich schlafe dann jetzt wohl mal besser.“ Ich weiß natürlich selbst, dass ich nicht Recht habe, aber mir ist sehr daran gelegen, dass wir dieses Gespräch kurz halten.
- „Mein ich doch. Du rufst mich dann an, wenn Johannes sich meldet? Dann hol ich dich und wir dann ihn ab? Okay?“
„Okay.“
- „Dann noch eine gute Nacht.“
„Nacht.“
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