Kapitel II: Dialog
Es ist drei, als ich heimkomme und es ist vier, als ich im Bett liege und nicht schlafen kann. Die Zeit dehnt sich zu zähem Sirup und um auf andere Gedanken zu kommen, versuche ich, mir verschiedene Geschmacksrichtungen für Zeitsirup einfallen zu lassen und zu schmecken, um darüber dann einzuschlafen.
„Wo zur Hölle seid ihr?“
- „Ich bin im Bett, kein ganz ungewöhnlicher Ort für diese Uhrzeit. Wo bist du denn?“
Für einen Moment halte ich das für eine Spitzenantwort, bereue dann aber schnell. Hatte er sie denn nicht angerufen? Was ist mit dem einen freien Anruf, bei dem sich Filmhelden noch einmal bei Angehörigen melden oder einen Auftragskiller für den Spitzel anheuern, der sie verraten hat. Da er ersteres nicht gemacht hat, hoffe ich, dass er auch für letzteres schlichtweg zu besoffen war.
Ja, tatsächlich unterhalten wir ein recht unterkühltes Verhältnis. Das liegt wohl an mir und meiner Art, mit der ich zweiundzwanzigjährigen Mädels begegne, die sich wie ein Hausmütterchen in den Wechseljahren aufführen. Sie ist wohl das, was man in Kontaktanzeigen einen „häuslichen Typ“ nennt: stets besorgt um ihren „Schatzi“ und verliebt in ihren Haushalt, den sie mit Stolz und Freude führt, der mich aber ankotzt, weil ich mir bestimmt nicht die Schuhe abtreten will, mein Geschirr gern selbst in die Küche bringe, wenn mir das passt und bei immer seltener werdenden Filmabenden auch nicht davor zurückschrecke die Füße auf ihren IKEA-Wohnzimmertisch zu legen.
Ich formuliere knapp und klinge noch immer nicht besonders freundlich, aber das sind Anrufe um vier Uhr morgens auch nicht. Leider kommt mir zu spät die Idee, dass Johannes das vielleicht gar nicht gefallen könnte, also dass sie das alles von mir erfährt, aber nun ist es raus und weil ich am anderen Ende der Leitung nur ein entsetztes Luftholen höre, schiebe ich in versöhnlicherem Tonfall schnell hinterher:
„Es geht im gut. Ist auch gar nicht Knast. Nur bei der Polizei und das auch nur für eine Nacht.“
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