Sonntag, September 17, 2006

Leben mit anderen Menschen

Ich wache verschwitzt auf. Daran ist Georg-Eugen schuld. Am Aufwachen, nicht am Schweiß. Es ist dunkel, denn es ist Nacht, was wiederum damit zusammenhängt, dass es zwei Uhr am Morgen ist. Georg-Eugen, da steht in Krakelschrift ein Name auf dem Briefkasten, den ich nicht erinnere, ist mein neuer Nachbar. Seit zwei Wochen. Zwei Wochen, die er spülend zugebracht hat, jedenfalls ist alles, was ich von ihm höre. Das Scheppern von Geschirr und Plätschern von Wasser. Einmal haben wir uns morgens auf dem Flur getroffen und haben einen anständigen Vierzeiler hingelegt, der mich noch immer stolz macht, denn immerhin habe ich ihn zu verantworten.

Ich wünsche einen guten Morgen und stellte mich vor. Er stellt sich ebenfalls vor, ich vergesse den Namen sofort. Er möchte wissen, ob ich auch ein Praktikum mache. Ich entgegne, erfreut über meine Dialogpremiere mit einem Mitbewohner, dass ich bei Vodafone bin, erkläre kurz und frage zurück, was er denn macht. Er erwähnt einen dieser Firmennamen, die sich mangels besserer Einfälle aus drei Buchstaben zusammensetzen. Ich erkundige mich, in Hoffnung auf ein längeres Gespräch, ob er denn jetzt einen Bus erwischen muss. Er behauptet, dass er das nicht müsse, weil sein Praktikumsgeber ein Gleitzeitmodell führt. Sagt es, verabschiedet sich und verschwindet aus der Tür. Was war denn das?

Nun ist Georg-Eugen soeben mit lautem Gepolter in sein Zimmer eingefallen, was mich erwachen ließ. Jetzt telefoniert er scheinbar mit einem Schwerhörigen wobei es mir vorkommt, als stünde er direkt neben meinem Bett. Ich frage mich ernsthaft, ob die Eltern einiger Menschen sich lieber anderweitig vergnügt haben, als sie ihrem Kind Grundlegendes in Rücksichtnahme und Umgang mit anderen Menschen vermitteln sollten.

Hierfür ein weiteres Beispiel: Seit etwa einer Woche trifft sich jeden Abend eine Gruppe fremdsprachiger Menschen direkt unter meinem Fenster zum rauchen. Dabei reden sie so laut, dass es teilweise schwer fällt, einem Film zu folgen. Schlimmer ist jedoch, dass sie aus meinem Zimmer eine olfaktorische Kneipe machen, wenn ich das Fenster nicht rasch schließe. Während ich auf Regen hoffe oder als Alternativplan bei Google recherchiere, ob mich das Material, dass ich benötige um eine explosionsfähige Atmosphäre unterhalb meines Zimmerfensters zu schaffen, in größere Unkosten stürzen wird, zieht neues Unheil herauf.

Das Unheil lässt sich von einer Panflöte ankündigen. Es folgen mehrere Stunden Weltmusikgenuss, von den Anden bis nach Indien. Irgendeine Eso-Tante aus dem ersten Stock feiert wohl eine Räucherstäbchenparty bis drei Uhr morgens. Ich drehe lauter, bis der Sprecher meines Hörbuchs etwa die Lautstärke einer Bahnhofsdurchsage annimmt.

Genug gegrantelt. Jetzt melde ich mich noch fix für den Onlineclub der Kopfrentner an und ab ins Bett.

South - Paint The Silence

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

klingt nach wohnheim und sehr dünnen wänden. ich schenke dir mal eine runde ehrlich gemeintes mitleid. ^^

Nils hat gesagt…

es geht eigentlich schon. in schottland war es schlimmer, weil dort nur wände aus holz zwischen den zimmern waren...
vielen dank für geschenktes mitleid - das ist doch das, was ich wollte und brauchte.