Samstag, Juli 08, 2006

Samstag 8. Juli. Bergen, Norwegen

"Hey, sprichst du deutsch? Do you speak german?"

Der Mann, der auf mich zukam, wollte eindeutig mein Geld.
Ob ich deutsch spreche? Ah, die Kamera...okay. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich die Kopfhörer aus meinen Ohren nahm, obwohl ich ihn auch so gut verstand.
- "Ja. Schon."
"Also hier äh...musst...mir ja nichts abkaufen...äh...aber..."
Der Ausweis an seiner Brust erklärte schneller, als er es konnte. Er verkaufte eine Obdachlosenzeitung.
"...also ich...ähh..."
- "Sind vierzig Cent okay?", ich kramte nach nicht silbernem Kleingeld. "Die Zeitung kannst du dann noch jemand anderes verkaufen."
"Jaja, klar. Guter Mann, guter Mann."
- "Dann noch einen schönen Tag."
"Schönen Tag - guter Mann, guter Mann."
Er begegnete mir später am Tag noch einmal und murmelte wieder etwas vom "guten Mann".

"Sprichst du deutsch?"
Hm. Warum eigentlich immer gleich die Karten auf den Tisch legen? Es wird Zeit für eine zweite Identität. "Nils Rupert" hat bei Google neben all dem, was ich selbst zustandegebracht habe noch zwei schwedische Einträge. Ein Schwede also? Hm. Zu plakativ. Ich habe seither aus unbekannten Gründen ohnehin mehr für Norwegen übrig. Ein Norweger also? Ja, fein.

Ich bin Norweger
Ich bin Nils Rupert, bin 25 Jahre alt und komme aus Bergen. Das liegt im Südwesten, direkt am Meer. Ich studiere Meeresbiologie. Momentan mache ich ein Auslandsemester in Kiel.
Mein Vater wollte immer, dass ich Schiffbau studiere. Das hat er auch getan und er sagt immer, dass es das richtige gewesen sei, um die Familie durchzubringen. An Meeresbiologie war das Meer selbst schuld - und mein Großvater. Er nahm meinen Bruder und mich an einem Sonntag im Monat mit ins Aquarium und erklärte uns die Tiere, wie sie leben, was sie fressen. Das waren schöne Sonntage.
Nach Kiel bin ich gegangen, um nach der Sache mit Mia einen klaren Kopf zu bekommen. Am Anfang war es nicht leicht, weil ich nur ein wenig Deutsch aus der Schule konnte. Aber viele Leute sind sehr nett und ausgesprochen hilfsbereit, wenn es mal mit der Sprache nicht so klappt.
Ich besuchte meinen älteren Bruder Magnus, der in Düsseldorf wohnt. Er ist Bänker und in den letzten Jahren haben wir uns ein wenig aus den Augen verloren, nachdem er wegen Anna nach Deutschland gegangen ist. Das ist jetzt vier Jahre her.
Ich wohne seit zwei Wochen bei den beiden und wir verstehen uns prächtig. Tagsüber, wenn er arbeitet, laufe ich durch die Stadt und mache Fotos. Abends kochen wir dann zusammen und es gibt eine Menge zu lachen und zu erzählen. Ich kann meine Mutter nicht verstehen, die noch immer etwas gegen Anna hat. Vermutlich glaubt sie, sie hätte ihr den Sohn weggenommen. Das stimmt aber so nicht, wie ich jetzt weiß.
Ich bin Nils Rupert, bin 25 Jahre alt und komme aus Bergen.
Na, wenn das nichts ist.

Kings Of Convenience - Failure

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jetzt wird er schizophren.

Nils hat gesagt…

Das ist die ganze Sache doch ohnehin schon. Jetzt nur mit mehr System dahinter. Ein logischer Schritt, der einfach mal gemacht werden muss.

Anonym hat gesagt…
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Anonym hat gesagt…
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