Mittwoch, Juli 05, 2006

"Ihr habt die Haare schön, ihr habt die..."


Was ein Abend. Ich ging in die Altstadt, um das Halbfinale zu sehen. Etwa auf halbem Wege wurde dann aus dem aktiven "gehen" ein passives "gegangen werden". Es war unglaublich voll. Dieser Umstand, zusammen mit der Tatsache, dass alle Sitzplätze im Kilometerumkreis schon seit Stunden belagert wurden, ja sogar reserviert werden konnten, machte die Sache nicht angenehmer. Ich suchte mir einen Platz, von dem aus ich aus etwa zwanzig Meter Entfernung auf eine Minileinwand schielen konnte, und sah das Spiel der beiden Achsenmächte Fußballnationen mit einem halben Auge, weil das andere entweder mit den Haaren des Vordermannes, oder dessen ausgeatmeten Rauch rang.
Der Ausgang des Spiels ist bekannt und ich stahl mich nach mühsam erstandenen 120min Schauspielzeit davon. Ich verzichtete darauf, Bilder von deutschen Fans zu machen, um einer Prügelei möglichst aus dem Wege zu gehen. ("Will sich einer mit mir schlagen? Scheiße! Da hab ich jetzt verflucht Bock drauf!")
Meine Suche nach freudetrunkenen Italienern sollte erst nach knapp einer Stunde belohnt werden. Auf der Köbrücke versammelten sich etwa 100 Menschen um dort nach allen Regeln der Kunst herumzutoben. Ich spielte Fotograf und log sogar jemanden an, der wissen wollte, wo er denn die Bilder finden könne. Das war nicht sehr nett von mir.
Die Strafe folgte auf dem Fuß. Zunächst musste ich knapp eine halbe Stunde auf die letzte S-Bahn des Tages warten, dann gesellte sich ein Ehepaar in den Fünfzigern dazu. Die Frau schaffte es, sich eine geschlagene Viertelstunde über die Italiener zu beschweren. Auszugsweise Gesprächshighlights? Bitte sehr:
"Also, da kann man doch jetzt Anzeige erstatten, wo die doch so einen Lärm machen."
- "Sie hätten sich ja auch nicht beschwert, wenn die Deutschen hier laut hupend herumgefahren wären."
"Aber irgendwas muss man da doch machen können. Was meinst du, Heinz?"
Heinz meinte nichts. Heinz hatte ohnehin sehr wenig zu melden, weil der Alkohol sich in seinem Kopf meldete.
"Da müssen wir einfach aufhören, in Pizzerien und so zu gehen. Was sagst du, Heinz?"
Heinz schwieg eisern.
"Gibt eh viel zu viele Pizzerien hier."
Ja, so ging das. Als nach ihrem ganzen Nazigewäsch endlich die S-Bahn kam, atmete ich erleichtert auf. Doch mein Glück sollte mich erneut verlassen. Auf halber Strecke meldete der Zugführer stolz, dass er nun nicht mehr die normale Strecke, sondern direkt ins Depot fahren würde. Großartig. So lief ich etwa drei Kilometer, indem ich den Bahngleisen folgte, zurück zum Wohnheim, wo ich ankam, kurz bevor meine Beine abfallen wollten.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

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