Montag, Oktober 30, 2006

Retreat! Retreat!

Der Auszug mit Grippe von Vortagen in den Knochen ist kein Vergnügen, doch ist es mir egal, dass es aussehen muss, als habe ich soeben die Sahara durchmessen: unglaublich müde und klebrig verschwitzt. Glücklicherweise stellt sich bei der letzten Tüte, die ich ins Auto trage, heraus, dass der Wagen wohl ziemlich genau für diese Menge an Fracht ausgelegt scheint. Mit aller IKEA-Parkplatzerfahrung meines Lebens habe ich es geschafft, den Inhalt eines 13 m² Zimmers in ein ungleich kleineres Automobil zu quetschen.

Der Moment, in dem ich die Schlüssel zum Wohnheim in den Briefkasten der Verwaltung werfe, hat etwas ungemein Befreiendes. Dann aber der Schock: Düsseldorf will mich nicht loslassen. Oder besser: Meine Handbremse will nicht loslassen. Das linke Hinterrad sitzt fest. Ich verwerfe den Gedanken daran von meiner seinerzeit gewissenhaft abgeschlossenen ADAC Mitgliedschaft gebrauch zu machen und versuche es lieber mit roher Gewalt. Nach ein paar Minuten schleifender Geräusche, bockendem Motor und lauter Flüche trete ich in einem letzten Versuch das Gaspedal ganz durch. Der Wagen bewegte sich zuerst langsam, es beginnt nach verbranntem Gummi zu stinken. Dann schießt er ruckartig los. Handbremse gelöst. Gewalt 1, Auto 0. Im Wegfahren bemerke ich dann die Schleifspuren, die mein Reifen über den halben Platz gezogen hat und freue mich über diesen letzten Beweis meiner Anwesenheit.

Es ist in einer Baustelle, Geschwindigkeitsbegrenzung 80 km/h, als blinkendes Licht im Rückspiegel versucht, meinen Wagen auf die rechte Spur der Autobahn zu zwingen. Ich lasse mir Zeit und überholte zunächst noch den LKW, in den das Licht mich scheinbar am liebsten hineingedrängt hätte und bin noch nicht ganz wieder zurück auf dem rechten Fahrstreifen angekommen, als es vorbeischießt. Dunkler Audi A8, D-MX-Wasweißich. Ein letzter Gruß aus Düsseldorf.

Ich stehe im Wohnzimmer meines Elternhauses und möchte soeben die Rückkehr des verlorenen Sohnes nach vier Monaten Düsseldorf bekannt geben, als die Vergangenheit sich mit dem leisen Ton einer empfangenen SMS-Nachricht ankündigt.

Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass wir uns treffen. Es wäre erzwungen und falsch. Tut mir leid, dass ich mich so lang nicht gemeldet habe…alles gute.

Es gibt Nachrichten, die bleiben besser ungeschrieben. Und es gibt Momente, in denen bleiben sie besser ungelesen. Ich werde nicht antworten. Dann würde alles nur schlimmer.
The Postal Service - District Sleeps Alone Tonight

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Nils Rupert,

für Ende 2006 planen wir in der Reihe Zeitbilder (Beispiele finden Sie unter folgender Adresse: www.bpb.de/publikationen/UC1KFJ,0,0,ZeitBilder.html)
einen Band zum Thema "Jugendkulturen in Deutschland. 1989 bis 2005". Bei der Bildrecherche für das cover bin ich auf Ihr Bild "youth of today" gestoßen. Wir überlegen, einen Ausschnitt daraus als Umschlagbild zu verwenden. Dazu meine Fragen: Wären Sie mit einer Verwendung einverstanden? Und könnten Sie mir Feindaten (300 dpi Auflösung bei einer Bildhöhe von 18cm) schicken? Am besten an folgende Adresse: sundermann@bpb.de

Das Buch erscheint im Rahmen des Publikationsangebotes der Bundeszentrale für politische Bildung und wird gegen eine geringe Bereitstellungsgebühr (2,00 Euro) an Schulen, politisch Interessierte und Mittler der politischen Bildung abgegeben. Geplant ist eine Auflagenhöhe von 10 000 Exemplaren.

Ich würde mich freuen, bald von Ihnen zu hören, und möchte mich bereits jetzt für Ihre Hilfsbereitschaft und Mühe bedanken.

Mit freundlichen Grüßen
i.A.

Meike Sundermann

Bundeszentrale für politische Bildung
Redakteurin
Fachbereich Print
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