Good Morning, Captain
Ei. Heut wird ein Einstieg schwer. Versuchen wir, das mal nachzuvollziehen, wie ich mir das so gedacht habe. Also, aufgepasst.
Neulich, es muss Nacht gewesen sein, da in den letzten Wochen ausschließlich Nacht ist, und ich sitze so da und denke daran, wie es wohl wäre, an meiner Diplomarbeit zu schreiben und beobachte meine Hand, wie sie, als Mauszeiger verkleidet, mit Sensationsgeschwindigkeit durch das Internet saust und meine Augen überfliegen ständig irgendwelche Texte, die aber nie wirklich dort ankommen, wo sie sollten und sie schauen auf Bilder, die irgendwo im Sehnerv verschwinden, als ich irgendwann merke, dass ich in einem dieser Internetforen gelandet bin, in dem sich viele traurige Menschen gegenseitig Gedichte darüber schreiben, wie traurig sie gerade sind und warum das so ist und wie des Lebens harte Hand nach ihnen greifen und sie zerdrücken will.
Da ist mir aufgefallen, dass ich mir gar nichts aus Lyrik mache. Das ich nichts damit anfangen kann, all diesen wuseligen Zeilen, deren Zusammenhang nur der kennen kann, der sie einst geschrieben. Dass das einmal anders war, beweisen weißknittrige Blätter, auf denen sich in der Krakelschrift eines Fünfzehnjährigen verfasste Verse verlieren. Oder bewiesen, denn ich habe keine Ahnung, ob es die noch gibt. Das war also wohl mal anders. Was war geschehen. Und während ich so darüber nachgrübelte, warum in den Regalen neben Bild- nicht auch Gedichtbände stehen, da Begann der schuldzuweisende Finger in meinem Kopf auf einmal deutlich in eine Richtung zu zeigen. Das kann er ganz gut, das mit dem Zeigen. Immer schön weit weg.
Und der Finger zeigte auf die Schule und auf die anachronistischen Lehrer und ihre Leidenschaft für jene Poeten, ob deutsch oder englisch, deren Freundeskreis ausschließlich aus Rotwein, einer Neurose und Vollmond bestand. Namen weiß ich nicht mehr, Namen sind Schall und Rauch. So saßen wir also da, in der Klasse, und quälten uns durch Texte, bei denen man jedes zweite Wort in staubigen Gewölben hätte nachschlagen müssen.
Dabei waren unsere Herzen wie trockenes Stroh. Es hätte eines Wortes, oder eines guten Satzes bedurft und wir wären entflammt gewesen, wären auf Tische gesprungen und hätten laut „O Captain! My Captain!“ gerufen, hätten zitiert, protestiert, diskutiert und uns am Werken der großen Meister und an unseren eigenen Leben berauscht.
Statt dem rettenden Funken gab es stinkende Gülle. Ein Gedicht zu besprechen bedeutete, das Gedicht in viele große „X“ zu übersetzen. Jeweils ein „X“ pro Silbe. Auf jene „X“, deren jeweilige Silbenentsprechung dann im Gedicht betont wurde, war ein Strich zu machen. Gleichzeitig war es unabdingbar, die verschiedenen, sich reimenden Wörter mit Buchstaben zu kennzeichnen. Daraus ergab sich dann die „Form“ des Gedichts, die es zu beschreiben galt.
Gelernt hatte ich dabei nichts. Denn ich weiß bis heute noch nicht, was Jambus, Trochäus, Daktylus oder Anapäst sind. Das wurde dann zwar auch abgefragt, uns aber nie erklärt, weil die tumben Sitzenbleiber mit Halbwissen aus dem nun wiederholten Vorjahr glänzten und der Lehrer einen Haken ins Curriculum hinter „Jambus“ setzte.
Der Captain kam später. Er durchmaß die Klasse raschen Schrittes und stellte sich dort auf, wo normalerweise Lehrer stehen: vor der Tafel. Dabei sah er nicht aus wie ein Lehrer und der CD-Player in seiner Hand ließ diesen Schluss in noch weitere ferne Rücken, als es das breite Grinsen auf seinem Gesicht ohnehin schon tat. Als er dann noch in der Lage schien, den seit der Anschaffung durch die Schule noch originalverschweißten CD-Player zu bedienen, wurde es still. Dann wurde es wieder laut:
Neulich, es muss Nacht gewesen sein, da in den letzten Wochen ausschließlich Nacht ist, und ich sitze so da und denke daran, wie es wohl wäre, an meiner Diplomarbeit zu schreiben und beobachte meine Hand, wie sie, als Mauszeiger verkleidet, mit Sensationsgeschwindigkeit durch das Internet saust und meine Augen überfliegen ständig irgendwelche Texte, die aber nie wirklich dort ankommen, wo sie sollten und sie schauen auf Bilder, die irgendwo im Sehnerv verschwinden, als ich irgendwann merke, dass ich in einem dieser Internetforen gelandet bin, in dem sich viele traurige Menschen gegenseitig Gedichte darüber schreiben, wie traurig sie gerade sind und warum das so ist und wie des Lebens harte Hand nach ihnen greifen und sie zerdrücken will.
Da ist mir aufgefallen, dass ich mir gar nichts aus Lyrik mache. Das ich nichts damit anfangen kann, all diesen wuseligen Zeilen, deren Zusammenhang nur der kennen kann, der sie einst geschrieben. Dass das einmal anders war, beweisen weißknittrige Blätter, auf denen sich in der Krakelschrift eines Fünfzehnjährigen verfasste Verse verlieren. Oder bewiesen, denn ich habe keine Ahnung, ob es die noch gibt. Das war also wohl mal anders. Was war geschehen. Und während ich so darüber nachgrübelte, warum in den Regalen neben Bild- nicht auch Gedichtbände stehen, da Begann der schuldzuweisende Finger in meinem Kopf auf einmal deutlich in eine Richtung zu zeigen. Das kann er ganz gut, das mit dem Zeigen. Immer schön weit weg.
Und der Finger zeigte auf die Schule und auf die anachronistischen Lehrer und ihre Leidenschaft für jene Poeten, ob deutsch oder englisch, deren Freundeskreis ausschließlich aus Rotwein, einer Neurose und Vollmond bestand. Namen weiß ich nicht mehr, Namen sind Schall und Rauch. So saßen wir also da, in der Klasse, und quälten uns durch Texte, bei denen man jedes zweite Wort in staubigen Gewölben hätte nachschlagen müssen.
Dabei waren unsere Herzen wie trockenes Stroh. Es hätte eines Wortes, oder eines guten Satzes bedurft und wir wären entflammt gewesen, wären auf Tische gesprungen und hätten laut „O Captain! My Captain!“ gerufen, hätten zitiert, protestiert, diskutiert und uns am Werken der großen Meister und an unseren eigenen Leben berauscht.
Statt dem rettenden Funken gab es stinkende Gülle. Ein Gedicht zu besprechen bedeutete, das Gedicht in viele große „X“ zu übersetzen. Jeweils ein „X“ pro Silbe. Auf jene „X“, deren jeweilige Silbenentsprechung dann im Gedicht betont wurde, war ein Strich zu machen. Gleichzeitig war es unabdingbar, die verschiedenen, sich reimenden Wörter mit Buchstaben zu kennzeichnen. Daraus ergab sich dann die „Form“ des Gedichts, die es zu beschreiben galt.
Gelernt hatte ich dabei nichts. Denn ich weiß bis heute noch nicht, was Jambus, Trochäus, Daktylus oder Anapäst sind. Das wurde dann zwar auch abgefragt, uns aber nie erklärt, weil die tumben Sitzenbleiber mit Halbwissen aus dem nun wiederholten Vorjahr glänzten und der Lehrer einen Haken ins Curriculum hinter „Jambus“ setzte.
Der Captain kam später. Er durchmaß die Klasse raschen Schrittes und stellte sich dort auf, wo normalerweise Lehrer stehen: vor der Tafel. Dabei sah er nicht aus wie ein Lehrer und der CD-Player in seiner Hand ließ diesen Schluss in noch weitere ferne Rücken, als es das breite Grinsen auf seinem Gesicht ohnehin schon tat. Als er dann noch in der Lage schien, den seit der Anschaffung durch die Schule noch originalverschweißten CD-Player zu bedienen, wurde es still. Dann wurde es wieder laut:
2 Kommentare:
Du schreibst schoen. Deswegen mag ich das Ende. Da kannst du stolz auf dich sein. Und auch die Geschicht ueber den Lehrer ist toll. Am Anfang sind viele Lehrer noch richtig toll, nur die wenigsten halten sich an ihren Idealen fest, traurig.
Und wie meinst du das mit Island? Ist es ueberschaetzt? Ich weisz nicht. Eigentlich ja schon. Zumindest das "Hippe und Coole", wie ich finde, ist manchmal nicht ganz so hip und cool. Zb das Nachtleben. Heilige Scheisze.
Mh, ich dachte oder hoffte, dass es bei ihm anders laufen würde. Aber immerhin habe ich die "unverbrauchte" Anfangsphase erlebt...
Island? Da ging es mir darum, dass ich Leute kenne, die all diese Länder (Island, Finnland, Norwegen blablabla) auf ihrer Superfanliste der Länder haben, die in jedem Fall besser sind als das hier und wo sie später unbedingt Leben möchten, während ich denke, dass es sich in vielen Ländern gleich gut oder schlecht lebt und dass es am Ende nicht darauf ankommt, wo man ist, sondern wer man ist.
Du solltest dich über das Nachtleben nicht beschweren, immerhin scheint es, als habest du in den letzten Monaten mehr Konzerte besucht, als ich in meinem Leben...
Kommentar veröffentlichen