Cousteau
Von der linken Seite kommt das Klackern des Kickers um den Menschen stehen, die Kicker mögen. Von der rechten Seite wummert Musik aus dem Raum, in dem Menschen stehen, die Musik mögen. Dazwischen stehe ich und lehne an der Wand, die bis auf Hüfthöhe haselnussbraun gestrichen und darüber in fleckiges Weiß getüncht ist. Ich schaue auf die Toilettentüren vor mir, ich schaue auf meine Schnürsenkel, die wunderbar leuchten vom Schwarzlicht der Toiletten, das Adern unsichtbar werden lassen soll. Ich schaue auf die Leute, die vorbeistolpern, zum Kicker, zur Musik, zur Toilette, aber immer durch das Schwarzlicht.
Ich kann diese Wand sein.
Ich schaue zum Mädchen, das geliebt wird. Ich schaue zum Anfasser. Der Anfasser unterhält sich mit dem Mädchen, das geliebt wird. Nein, er unterhält sich nicht, er redet mit ihm, er doziert, er hält einen Monolog. Wenn der Kicker grad nicht so klackert und die Musik grad nicht so wummert, kann ich hören, was er redet. Es geht um Professoren die er hatte und haben wird, Kurse, die er bestanden hat oder belegen wird. Seine gleichförmige Monologstimme wird bald zu einem weiteren Hintergrundgeräusch neben Kickerklackern und Musikwummern.
Wenn ich mich anstrenge, dann werde ich diese Wand.
Der Anfasser kennt viele Leute. Wenn Leute vorbeitorkeln, dann ruft er ihnen laute Sätze hinterher und grinst dabei breit. Manchmal antworten die Leute einsilbig. Dann wird sein Grinsen kurz noch breiter, bevor er etwas zurückruft, bevor er seinen Monolog fortsetzt und wieder eintaucht, in die immergleichen Geschichten von Professoren und Kursen. Der Anfasser hat immer das letzte Wort.
Wenn ich diese Wand bin, dann bin ich unsichtbar.
Neben dem Anfasser steht ein kleiner Mann, der sicher dreißig ist. Die Nickelbrille, ein langer, schwarzer Mantel und Dreitagebart machen aus ihm einen Philosophen, das Bier zu viel macht einen Idioten. Andächtig lauscht er den Worten des Anfassers. Der Anfasser selbst trägt, von unten nach oben, Großvaterpantoffeln, abgeschnittene, braune Jeans, ein T-Shirt mit Aufschrift „Schandmaul“ und eine Brille, die Harry Potter zur Ehre gereichen würde. Bei den Haaren dürfte, um bei Fantasyprotagonisten zu bleiben, Legolas Pate gestanden haben. Den Unterschied scheint Elbenschampoo auszumachen.
Na los, einen halben Schritt nur, rückwärts in die Wand hinein.
Zwei Mädchen wollen zur Damentoilette, als diese verschlossen ist und ich auf meine Schnürsenkel starre. Sie wenden sich an den Anfasser. Der Anfasser legt den einen Arm um die Schulter der Einen und den anderen Arm um die Hüfte der Anderen mit solchem Geschick, wie ich es zuletzt bei einem Octopus in einem Film von Jaques Cousteau sah, der Fische aus Tonvasen, die auf dem Meeresgrund herumlagen, fing. Dann spricht er unverständliche Sätze und lacht dabei, als finde er seine eigenen Worte gerade ungemein erheiternd. Als die beiden wieder fort sind, legt er seinen rechten Arm um das Mädchen, das geliebt wird und seine Stimme ist nur noch wenige Zentimeter von ihrem Ohr entfernt.
Die Wand in meinem Rücken ist kalt. Erste Erfolge.
Für einen Wimpernschlag beneide ich den Anfasser um seine Skrupellosigkeit, vor der mir im nächsten Moment schon wieder ekelt. Das Mädchen, das geliebt wird, schaut weg. Weg vom Anfasser. Die ganze Zeit schon. Das macht ihm nichts aus. Bedeutungslose Worte wehen herüber. Ich kann mich nicht ausreichend konzentrieren, ihren Zusammenhang zu erkennen.
Endlich. Ich bin nicht mehr da.
Als das Klackern des Kickers aufhört ist das unser Zeichen zum Aufbruch. Fort aus der Zwischenwelt, zurück zur wummernden Musik. Das weiß auch der Anfasser und als das Mädchen, das geliebt wird, Anstalten macht, sich fortzubewegen, reckt sich der Kopf des Anfassers mit einem Male nach vorn und er drückt ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. Mein Blick trifft den des Mädchens, das geliebt wird und alles was ich tun kann, ist mit den Schultern zu zucken, weil wir ohnehin nicht reden und weil ich ja schon längst unsichtbar bin und ganz tief in dieser Wand drinstecke, die bis auf Hüfthöhe haselnussbraun gestrichen und darüber in fleckiges Weiß getüncht ist.
Ich kann diese Wand sein.
Ich schaue zum Mädchen, das geliebt wird. Ich schaue zum Anfasser. Der Anfasser unterhält sich mit dem Mädchen, das geliebt wird. Nein, er unterhält sich nicht, er redet mit ihm, er doziert, er hält einen Monolog. Wenn der Kicker grad nicht so klackert und die Musik grad nicht so wummert, kann ich hören, was er redet. Es geht um Professoren die er hatte und haben wird, Kurse, die er bestanden hat oder belegen wird. Seine gleichförmige Monologstimme wird bald zu einem weiteren Hintergrundgeräusch neben Kickerklackern und Musikwummern.
Wenn ich mich anstrenge, dann werde ich diese Wand.
Der Anfasser kennt viele Leute. Wenn Leute vorbeitorkeln, dann ruft er ihnen laute Sätze hinterher und grinst dabei breit. Manchmal antworten die Leute einsilbig. Dann wird sein Grinsen kurz noch breiter, bevor er etwas zurückruft, bevor er seinen Monolog fortsetzt und wieder eintaucht, in die immergleichen Geschichten von Professoren und Kursen. Der Anfasser hat immer das letzte Wort.
Wenn ich diese Wand bin, dann bin ich unsichtbar.
Neben dem Anfasser steht ein kleiner Mann, der sicher dreißig ist. Die Nickelbrille, ein langer, schwarzer Mantel und Dreitagebart machen aus ihm einen Philosophen, das Bier zu viel macht einen Idioten. Andächtig lauscht er den Worten des Anfassers. Der Anfasser selbst trägt, von unten nach oben, Großvaterpantoffeln, abgeschnittene, braune Jeans, ein T-Shirt mit Aufschrift „Schandmaul“ und eine Brille, die Harry Potter zur Ehre gereichen würde. Bei den Haaren dürfte, um bei Fantasyprotagonisten zu bleiben, Legolas Pate gestanden haben. Den Unterschied scheint Elbenschampoo auszumachen.
Na los, einen halben Schritt nur, rückwärts in die Wand hinein.
Zwei Mädchen wollen zur Damentoilette, als diese verschlossen ist und ich auf meine Schnürsenkel starre. Sie wenden sich an den Anfasser. Der Anfasser legt den einen Arm um die Schulter der Einen und den anderen Arm um die Hüfte der Anderen mit solchem Geschick, wie ich es zuletzt bei einem Octopus in einem Film von Jaques Cousteau sah, der Fische aus Tonvasen, die auf dem Meeresgrund herumlagen, fing. Dann spricht er unverständliche Sätze und lacht dabei, als finde er seine eigenen Worte gerade ungemein erheiternd. Als die beiden wieder fort sind, legt er seinen rechten Arm um das Mädchen, das geliebt wird und seine Stimme ist nur noch wenige Zentimeter von ihrem Ohr entfernt.
Die Wand in meinem Rücken ist kalt. Erste Erfolge.
Für einen Wimpernschlag beneide ich den Anfasser um seine Skrupellosigkeit, vor der mir im nächsten Moment schon wieder ekelt. Das Mädchen, das geliebt wird, schaut weg. Weg vom Anfasser. Die ganze Zeit schon. Das macht ihm nichts aus. Bedeutungslose Worte wehen herüber. Ich kann mich nicht ausreichend konzentrieren, ihren Zusammenhang zu erkennen.
Endlich. Ich bin nicht mehr da.
Als das Klackern des Kickers aufhört ist das unser Zeichen zum Aufbruch. Fort aus der Zwischenwelt, zurück zur wummernden Musik. Das weiß auch der Anfasser und als das Mädchen, das geliebt wird, Anstalten macht, sich fortzubewegen, reckt sich der Kopf des Anfassers mit einem Male nach vorn und er drückt ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. Mein Blick trifft den des Mädchens, das geliebt wird und alles was ich tun kann, ist mit den Schultern zu zucken, weil wir ohnehin nicht reden und weil ich ja schon längst unsichtbar bin und ganz tief in dieser Wand drinstecke, die bis auf Hüfthöhe haselnussbraun gestrichen und darüber in fleckiges Weiß getüncht ist.
7 Kommentare:
warum aber spricht das mädchen, das geliebt wird, nicht? manch eine wand hat in ihrer stille mehr zu sagen, als ein schandmauliger anfasser.
nun, das mädchen, das geliebt wird spricht schon. nicht mit mir. das ist aber auch nicht so wichtig, denn mit denen, auf die es ankommt, spricht es schon.
wände sind in der tat gute freunde, an die man sich anlehnen kann.
wände sind hin und wieder trost, halt, gesellschaft und beruhigungsmittel zugleich. jeder sollte eine wand zum freund haben.
türrahmen sollte man auch nicht vergessen. in denen zu lehnen ist fast noch schöner, als an wänden zu lehnen.
wenn sie schon so weit gehen, würde ich sogar ecken noch den vorrang geben. gerne auch ecken zwischen diversen möbelstücken und wänden. da lässt es sich prima aushalten.
nun, das sehe ich anders. ecken sind zum verstecken, während türrahmen die flucht zulassen. so scheinen sie mir eher auf tarnung bedacht, während ich ein fluchttier bin. beides hat sicher vor und nachteile.
sehr schöne geschichte, gefällt mir gut!
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