„Kann ich noch eine rauchen, bevor es losgeht?“
Johannes sieht den Gorilla hinter sich fragend an. Der Gorilla nickt mir zu. Ich nestle aus Johannes Hosentasche eine reichlich zerdrückte Packung roter Gauloises hervor. Es dauert eine Weile, bis ich aus all dem Tabakgebrösel noch eine halbwegs brauchbare Zigarette herausfische und ihm in den Mund stecke. Wenigstens ist die Nacht so dunkel und das Licht der Bar hinter uns so schwach, dass ich das Blut nicht sehen muss.
„Feuer?“
- „Andere Tasche.“
Wir blicken schweigend in den Rauch, bis der Rettungswagen davonfährt und kurz darauf die deutlich verspätete Funkstreife eintrifft. Während der jüngere, schlaksige Polizist in einiger Entfernung die Handschellen des Securitygorillas auf Johannes Rücken durch staatliche ersetzt, braucht es eine Weile, bis der breit gebaute Zweisterneschnäuzer vor mir begreift, dass ich nichts, oder nur am Rande mit all dem zu tun habe.
Während er meine Personalien mit stumpfem Bleistift in ein rotes Notizbuch einträgt, denke ich über Johannes nach. Darüber, wie lange wir uns schon kennen und darüber, ob ich ihm so etwas wirklich zugetraut hätte. Ja, ich glaube, dass ich es für möglich gehalten habe. Er ist schon früher ausgerastet, hat rot gesehen.
Damals, als wir Soldaten gespielt haben, am Waldrand, und ich nicht sofort umfallen wollte, weil sein Plastikgewehr eindeutig nicht auf mich zielte, als es dieses spröde Knattern von sich gab, da ist er dann zu mir hingerannt und hat mich in den Schwitzkasten genommen, bis ich wirklich fast tot auf dem Boden lag. Wirklich geschlagen haben wir uns nie. Auch heute nicht. Vielleicht wäre das besser gewesen.
Ich erinnere mich noch an die Sache mit Sascha und dem gebrochenen Arm. Das war mit fünfzehn. Man ist zwar übereingekommen, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat, aber ich habe ohnehin nie daran geglaubt, dass jemand in einem plötzlichen Anfall von Schwäche rückwärts die Leiter zum Dreimeterbrett des Stadtfreibades herunterfällt. Johannes hat mir irgendwann später gestanden, dass es um ein Mädchen ging. Christiane, oder so. Das hat dann später etwa so lange gehalten, wie der Gips an Saschas Arm.
Ein jähzorniger Junge, meinten Eltern und Lehrer gleichermaßen. Er würde sich schon beruhigen, wenn er älter würde. Tatsächlich behielten sie Recht. Spätestens, seit er vor drei Jahren in diese beinahe eheähnliche Beziehung mit Andrea angefangen hat, ist er ruhiger geworden. Nun, was auch immer sich in ihm geändert haben mag, es hat nur bis heute Abend gehalten.
Jetzt also Polizeipremiere. Der Schnauzbart bedankt sich und wünscht in brummendem Tonfall einen schönen Abend. Ja, einen schönen Abend werden wir haben, mein Gewissen und ich.
„Was passiert jetzt mit ihm?“ will ich wissen.
„Die Nacht bleibt er bei uns.“ ist die knappe Antwort.
Der Schlaks nimmt noch die Zigarette aus Johannes Mundwinkel und wirft sie achtlos auf den Bordstein, wo sie Funken wirft, bevor er dem Gefesselten auf die Rückbank des Wagens hilft.
Als die Streife anfährt, starrt Johannes ins Leere und ich auf den Rest Zigarette auf dem Boden, der nach einer Weile in der kühlen Novembernacht verglimmt. Ich fange an zu zittern. Mir ist kalt.
2 Kommentare:
oh. was hat johannes denn angestellt?
ist ja noch gar nicht fertig. geduld, bitte.
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