Donnerstag, Juli 12, 2007

Schlamassel in Kassel

Ich mag ein Kunstbanause sein, doch du, liebe zeitgenössische Kunst hast mich auf meiner ersten – und womöglich auch einzigen – documenta arg enttäuscht. Sicher, ich bin nicht davon ausgegangen, alles zu mögen oder zu verstehen. Meine einzige Hoffnung waren ein paar Sachen, bei denen ich sagen könnte: „Hey, das ist gut/schön/nett/interessant/wunderbar oder abstoßend/schrecklich/eklig/anstößig, da möchte ich mehr drüber wissen!“ Stattdessen das Klischeebild von moderner Kunst (schwarzer Strich auf weißem Grund) und Bilder von Menschen, die Dinge in den Allerwertesten bekommen, während außen herum herausgerissene Augen liegen.

Apropos Augen: Ein Augenzwinkern hat gefehlt. Ein wenig Selbstironie, Verspieltheit, Verrücktes. Stattdessen das Meiste bierernst. Ebenso die Besucher. Ob betagtes Rentnerehepaar, knochige Mittvierzigerfrau mit ganz frisch geschnittener Kurzhaarfrisur, Mittfünfzigermann mit Zopf und Ziegenbart oder auch junge, zumeist weibliche(recht hübsche, aber auch sehr entrückte) Besucher blickten alle drein wie sieben Tage Regenwetter. Die gab es ja auch, aber lag es daran? Ich zweifle.

Vermutlich hätten die überall herumstehenden Ordner, die sich immer leise an die Besucher heranpirschten um dann ein „Bitte nicht anfassen!“ zu säuseln, auch jeden freundlich, oder gar belustigt dreinblickenden Besucher im gleichen Flüsterton auf das herrschende Lachverbot aufmerksam gemacht. Aber es bestand ja, wie gesagt, auch gar keine Gefahr.

Natürlich muss man Kunst – oder das was andere als Kunst definieren – auch wirken lassen, aber sich darum vor jedem Kunstwerk minutenlang hinsetzen, bis man irgendein Gefühl dort herausziehen kann? Oder sich all die Erklärungsversuche der Künstler („Der eine Strich steht für die Kunst und der Andere für die Gesellschaft – da in der Mitte kreuzen sie sich…“) durchzulesen? Da sagt der Banause entsetzt: Bitte nicht! Kein größeres Verbrechen als der Versuch von Kunsterklärung. Das soll doch dann bitte ein jeder selbst hinbekommen - oder eben nicht.

Der Banause ruft auch nicht quer durchs Treppenhaus ob man den XYZ dort oben gesehen habe, der ja einen unglaublich tollen Rahmen habe. Der Banause erzählt auch nicht begeistert davon, dass das jetzt gerade seine Lieblingsinstallation ist, obwohl ja sehr sehr plakativ, weil es da diese wunderbaren Großaufnahmen der menschlichen Nase mit einer Wackelvideokamera gibt. Das tut der Banause nicht. Der Banause fragt sich jedoch, was jene Mittzwanzigerin, die diesen letzten Satz aussprach, wohl zu den Fotografien sagen würde, die er stets und überall anfertigt und überlegt heimlich, ob er nicht einfach mal eine Ausstellung mit eigenen Werken eröffnen solle um dann den Menschen zu lauschen, was sie alles in seine Schnappschüsse hineinsehen wollen.

Wo wir schon bei Fotografien sind: Ein Thema wo ich denke, mich ein wenig auszukennen. Also auch bewerten zu können, ob das jetzt wirklich ein gutes Foto oder Gruselschund ist. Ich will mir da keine allzu großen Kenntnisse zuschreiben, aber sagen wir, dass es mehr ist, als bei vielen Anderen. Naja. Also zurück zum Thema: Es war kein Gruselschund, aber richtig gute Fotos habe ich – mit einer Ausnahme - nirgends gesehen. Mag daran liegen, das die Leute sich Künstler nennen und nicht Fotograf. Mag auch daran liegen, dass der Rest der zusammengehäuften Monokultur eher im unteren Durchschnitt des großen Meeres der zeitgenössischen Kunst dümpelt. Das aber ist ein Verdacht, zu dessen Erhärtung mir die nötigen Titel und Fachausdrücke fehlen.

Doch zum Glück bin ich nicht alleine, mit meinem Banausendasein. Da gibt es noch viele mehr. Die haben nur versucht, es niemanden merken zu lassen. Woher ich das weiß? An dieser Videoinstallation, wo kleinen chinesischen Kindergesichtern in Nahaufnahme aus dem Off ein halbes Glas Milch über Wangen und Mund gespritzt bekommen, an dieser Videoinstallation, da standen zwei Väter, die laut lachten und meinten, dass sie dass unbedingt auch mal mit ihren Sprösslingen tun sollten. Da war klar, dass es noch größere Banausen gab und ich musste mich wirklich zusammenzureißen, sie zu fragen, ob sie denn nicht verstanden hätten, was eben jene weiße Flüssigkeit auf Kindergesichtern wohl noch so alles darstellen könnte.

Also, zeitgenössische Kunst, ich kann dir ja keinen Vorwurf daraus stricken, dass ich dich in der Kasseler Version deiner Selbst nicht mögen konnte. Aber ich bin gern bereit, dir noch eine Chance zu geben, wenn du mir auch eine gibst, Banause hin oder her.

Bis es aber so weit ist, zunächst noch einige Fotos.

















2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kunst mal hin o her.
- Menschen, Menschen, Menschen:
Die beschriebenen, so arg entrückten Mittzwanzigerinnen sind doch sicherlich alles Besucherinnen gewesen; und NICHT die stets wachen und aufgeweckten Dienstleistungschnitten am Gastro-CONTAINER auf`er Aue?!
Das möchte betont werden.
Gruß aus K!

Übrigens: riesen Überschrift :-)

Nils hat gesagt…

Die Mittzanzigerinnen waren allesamt Besucherinnen. Die Kasseler (?) Helferinnen/Aufseherinnen waren meistenteils recht gelangweilt, aber wer kann es ihnen verdenken? Den Gastrocontainer haben wir verpasst. Verflucht.

Ja... der Titel... naja... Notlösung weil Wortspielereien mit documenta(tion) sich verboten.

Gruß aus M!