Samstag, Februar 21, 2009

Kapitel I - Sonderfahrt

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Es waren diese Morgen im Sommer, die nach Sonnenaufgang noch nicht sicher waren, ob sie zu richtigen Sommertagen werden sollten. Jene Morgen, an denen noch eine Spur Tau auf den Wiesen haftete und wo alles anfangs noch ein wenig dunstverhangen war, nur um dann später, so gegen Mittag, den ganzen Dunst von der Sonne wegbrennen zu lassen und in diese prächtigen Stunden zu wechseln, in denen es zwar warm, nie aber heiß war.

Ich bereute, dass ich mich gegen die Jacke gewehrt hatte in die meine Mutter mich noch vor Minuten hineinzwingen wollte, hätte das aber nie zugegeben, versuchte stattdessen, mich in Bewegung zu halten, mich zu wärmen, nicht zu frieren. So hampelte ich auf dem Bürgersteig herum. Um acht Uhr war es einfach noch zu kalt für T-Shirts.

Ich kannte ein paar der anderen. Einige aus der Schule, einige aus der Gegend, einer der Bruder von demunddem, eine die Schwester von derundder. Schon mal gesehen, ohne zu reden. Ich mochte keinen von ihnen besonders gern leiden und überlegte, was meine Freunde in den Sommerferien machen würden und stellte mir vor, wie sie den Großglockner besteigen, nach Kreta fahren oder ihre Familie im neuen Osten besuchen würden und stellte mir weiter vor, wie ich bei all dem dabei wäre und befand, dass das Dabeisein auf jeden Fall besser sein musste als einige Meter vom Elternhaus entfernt an der Straße zu stehen und zu warten.

Während ich also stand und fror hörte ich den anderen Jungen - die Mädchen standen abseits - dabei zu wie sie neueste Gameboyspiele beschrieben, aufzählten, wem ihr großer Bruder schon alles auf die Schnauze gehauen hatte, das Fernsehprogramm des Vorabends nacherzählten, Diskussionen über die tötlichste Kampfkunst führten - am Ende gewann stets der Ninja - oder an den Namen der alten Kindergärtnerin, die im Haus gegenüber wohnte, eine Vorsilbe anhängten und dann abwechselnd laut riefen. Die Kindergärtnerin hieß Frau Dom.

Ich war froh wenn der Bus kam. Manchmal war es ein Linienbus, an dem man das Schild, auf dem sonst Sachen wie "Linie 21, Hassenbruch" standen, durch eines ersetzt hatte auf dem "Sonderfahrt" zu lesen war und das nie gerade hinter dieser Scheibe aus Glas oder Plastik hing, sondern das zu einer Seite immer ein wenig in den Busschildkasten hinabfiel und aussah, als wolle es sich vor der Außenwelt verstecken und deshalb den ganzen Bus ein wenig traurig aussehen ließ wenn man ihn von Weitem sah.

Wenn der Linienbus anderswo benötigt wurde, und das war häufig, kam ein alter dunkelblauer Reisebus zum Einsatz auf dem hellblaue Flächen so etwas wie Wellen darstellen sollten auf denen wiederum dann der Name des Busunternehmens stand. "Sauer Reisen". In lila.

Nachdem der Bus sich an den Gehweg herangebremst hatte und dabei meist irgendjemanden beinahe überrollte, zischten erst die Bremsen laut und dann zischte es noch einmal, als der Busfahrer versuchte die Türe zu öffnen. Manchmal brauchte es zwei oder drei Versuche, während derer der Fahrer immer heftiger auf einen Knopf auf der Schalttafel vor seinem runden Bauch einschlug, weil die Tür stets klemmte und sich nur unter quietschendem Protest öffnen lassen wollte.

Einige Jungen rotzten noch schnell Kaugummis in den Rinnstein und wuchteten sich dann mit geöffnetem Mund die drei enorm steilen Stufen hinauf um schließlich am Busfahrer vorbei den kleinen kunstlederbezogenen, federnden Riegel zu passieren, der den Einstiegsbereich vom Fahrgastraum trennte.

Am ersten Tag hatte der Busfahrer einen Kaugummikauer erwischt, daraufhin einen riesigen Aufstand veranstaltet, gedroht, nicht mehr weiter zu fahren und bei jedem Zustieg gebrüllt, dass Kaugummis streng verboten wären. Er ließ fortan jeden nur noch mit geöffnetem Mund einsteigen, damit er sich selbst davon überzeugen konnte, dass der Bus kaugummifrei sei. Wir fügten uns ohne zu klagen.

Ich war froh, an der ersten Station zusteigen zu können. So waren noch alle Plätze unbesetzt und ich entschied mich stets für einen Platz auf der linken Seite in der Nähe eines dieser kleinen roten Nothämmerlein. Ich glaubte der Bus würde, wenn er von der Straße abkommen würde, mit höherer Wahrscheinlichkeit nach rechts ausbrechen, was dann wiederum bedeuten würde, dass er, würde er aus dem Gleichgewicht kommen, auf die rechte Seite kippen müsste. In einem solchen Unglück war es sicher besser wenn man nicht in einige Metern von einem kleinen roten Nothämmerlein entfernt auf der neuen Unterseite des Fahrzeugs saß.

Während ich noch einen Platz suchte, der meine Sicherheitsbedenken erfüllte, fuhr der Bus an.

Radiohead - Prove Yourself & I Can't (1993)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

warum blogst du nicht mehr?