Ich werde fünf gewesen sein, sechs vielleicht, als wir uns begegnet sind. Damals, beim einkaufen. Erinnerst du dich noch? Ich mit dieser hässlichen selbst gestrickten Jacke und du einfach so - nackt. Ich, der kleine pausbäckige Junge mit Igelfrisur, der staunend auf dem Estrich des Supermarktes stand und du, der kleine rundliche Plüschwaschbär auf kaltem Metall im Regal.
Ich musste dich erst öfter besuchen, bis du mitkommen konntest, weil du so teuer warst. Dann hab ich dich für einen kurzen Moment aus dem Regal geholt und probegeknuddelt. Es hat dann noch drei Wochen gedauert, bis mein Taschengeld zusammen mit dem Ersparten aus dem geknackten Sparschwein für dich gereicht hat. Drei Wochen, in denen ich immer in Sorge war, man habe dich an jemand anderen verkauft. Als ich dann die dreißig Mark endlich zusammengekratzt hatte, bin ich losgerannt um dich abzuholen und du hast die ganze Zeit gewartet, bis ich dich in meinen Rucksack packen und durch den Regen nach Hause tragen konnte.
Dort haben wir uns dann erstmal kennen gelernt. Ich habe auf deinem Etikett über das „a“ noch schnell zwei Punkte gemacht, denn immerhin warst du ja ein Waschbär und kein Waschbar. Und dann habe ich dich Quang genannt. Das habe ich mir ausgedacht, weil du aus China zu mir gekommen bist und Quang der erste Name war, der für mich richtig nach China geklungen hat.
Danach warst du eigentlich immer mit dabei und hast einiges mitgemacht. Du bist gereist, hast die Grippe mit mir ebensooft überstanden, wie die fiesen Attacken meiner Schwester. Du warst immer für mich da und wenn es mir mal schlecht ging, dann gab es immer einen, an dem ich mich festhalten konnte.
Dann habe ich dich weggetan. In einen großen blauen Sack auf den Dachboden, weil Plüschtiere ja nichts sind für pubertierende Jungs. Da hast du dann gelegen, zusammen mit all den anderen. Ein paar Jahre später hatte ich dich schon vergessen, als ich wieder in diesen großen blauen Sack geschaut hab und du mich angesehen hast. Da konnte ich nicht anders und habe dich wieder mitgenommen. Du durftest bei mir im Regal sitzen und in mein Zimmer schauen, was ja mittlerweile schon das Zimmer eines großen Jungen war.
Aber du hast immer noch so geschaut, dass ich ein ganz schlechtes Gewissen bekommen hab und dich am Ende wieder ins Bett geholt, weil du da ja eigentlich wohnst. Ich habe dir erzählt, was in den letzten Jahren alles passiert ist und du hast mich verstanden. Von da an warst du wieder überall mit dabei, hast alle Hochs mitgefeiert und mich durch Tiefs getröstet. Nur wenn Besuch kommt, verschwindest du immer schnell unter der Decke – na, weil... du verstehst schon...
Jetzt stehe ich bei Vodafone in der Technikabteilung. Vor mir das Büro mit nur einem Fenster, hinter mir der dunkle Flur. Ich habe vor knapp fünf Sekunden angeklopft, die Tür geöffnet, bin eingetreten und im Türrahmen stehen geblieben. Der Mann mit den asiatischen Gesichtszügen schaut mich nun zunehmend fragender an. Ich bin stumm. Ich kann nicht sagen, dass ich gern ein Motorola V6 ausleihen würde für Testzwecke. Das bekomme ich nicht über die Lippen. Stattdessen ist da dieses gnadenlos breite Grinsen in meinem Gesicht. Ich merke, wie aus dem Grinsen ein Lachen werden will und ich unterdrücke mit größter Mühe das Glucksen aus der Magengegend.
Der Mann wird nun ungeduldig.
„Ja, bitte?“
Er schaut mir in die Augen, in denen ich Tränen nur knapp zurückhalten kann. Seine Augenbrauen heben sich fragend, dann verfinstern sich seine Gesichtszüge.
„Was willst du denn?“
Ich muss mich zusammenreißen. Langsam Atmen, an etwas anderes denken. An etwas anderes als einen großen Plüschwaschbären, der dort vor mir sitzt und ansieht, an etwas anderes als an das Türschild, auf dem in schiefen schwarzen Lettern stand:
TSM – Motorola: Cheng, Quang
5 Kommentare:
Das ist eine der defintiv besten Geshichten über Kuscheltiere gelesen habe. Inklusive großer Pointe am Schluß. Toll!
vielen dank. kennst du denn noch andere kuscheltiergeschichten?
ich musste dem guten doch mal ein denkmal setzen. nach all den jahren...
mein teddy heißt bob und sitzt auf dem schrank. im bett habe ich seinen kleinen bruder: herr blöd ist der einzige, der ungefragt in meinem bett schlafen darf.
bob und herr blöd? da steht die rangordnung doch schon direkt fest.
als kind habe ich meinen tieren immer mehrere namen gegeben. dies zusammen mit der damit verbundenen charakterlichen schizophrenie hat das die imaginäre anzahl der gefährten vervielfacht. sehr praktisch.
hey, ich bin der erwin und bin hellauf begeistert von deinem bären, weil ich auch so ein bär bin, der mitleben darf.
allerdings bin ich erst fast 1 1/2 jahre alt und habe nur zwei wochen im regal warten müssen.
wenn quang mal langeweile hat, darf er gerne in meinem bärigen blog herumlesen. du musst nur aufpassen, dass er dadurch nicht in eine krise gerät.
waldhimbärige grüsse an quang
der waldhimbär erwin k.
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